Führungsstark im Wandel - Change Leadership für das mittlere Management

Führungsstark im Wandel - Change Leadership für das mittlere Management

von: Alexander Groth

Campus Verlag, 2016

ISBN: 9783593434445

Sprache: Deutsch

239 Seiten, Download: 5525 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Führungsstark im Wandel - Change Leadership für das mittlere Management



Vorwort Die Situation von Führungskräften im Wandel Michael, Bereichsleiter in einem großen Konzern, sitzt erschöpft im Büro und starrt auf die gegenüberliegende Wand. Im Meeting mit seinen Abteilungsleitern gab es wieder einmal eine latent aggressive Diskussion über die Ursachen für den Stillstand im aktuellen Wandelprojekt. Er konnte deutlich die allgemeine Ratlosigkeit bei den Führungskräften, die ihm unterstellt sind, spüren. Die weltweite Einführung der neuen Software hat den ganzen Bereich an den Rand des Chaos geführt. Gestern hatte noch dazu seine beste Führungskraft gekündigt. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis jemand von den Guten ging. Wegen des Einstellungsstopps darf er diese Position vorerst nicht neu besetzen. Noch ein Problem mehr auf seiner Liste. Die anstrengenden Ereignisse der letzten Monate, die dauernden Überstunden und der Widerstand in der Belegschaft fordern ihren Tribut. Michael fühlt sich müde und ausgebrannt. Er weiß, dass er als Chef gerade in dieser schwierigen Zeit gegenüber den Mitarbeitern Zuversicht und Energie ausstrahlen sollte, aber die hat er nicht mehr. Der gesamte Veränderungsprozess scheint festgefahren. Ein Blick auf die Uhr zeigt ihm, dass er gleich einen Termin mit dem Betriebsrat hat, den er wieder einmal nicht vorbereiten konnte. Er seufzt und fragt sich, wie das Ganze nur weitergehen soll. So wie Michael ergeht es vielen Managern in Wandelprozessen. Diese werden zwar häufig mit positiven Akronymen wie POWER, WIN und FUN etikettiert, aber genau das empfindet niemand bei der Umsetzung. Es sind die folgenden fünf Probleme, mit denen mittlere Manager im Wandel meist zu kämpfen haben: Innere Zerrissenheit?Der Manager hat die Aufgabe, die von oben vorgegebene Veränderung in seinem Bereich oder seiner Abteilung umzusetzen. Dabei soll er mit beispielhaftem Verhalten und positiver Energie als Vorbild vorangehen. Tatsächlich ist er jedoch oftmals selbst nicht von der Idee der Veränderung an sich oder von der geplanten Art der Umsetzung überzeugt. Vielleicht ist der Wandel sogar nur erforderlich, weil das obere Management in der Vergangenheit massive Fehler gemacht hat, deren bittere Konsequenzen nun die Mitarbeiter tragen müssen. Wie kann man solche Veränderungen glaubhaft und mit Elan vermitteln? Diese innere Spannung muss die Führungskraft aushalten. Zudem muss sie damit umgehen können, immer wieder der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein. Druck von oben und unten? Mittlere Manager fühlen sich wie in einem Sandwich, weil sie von beiden Seiten Druck bekommen. Das obere Management will umfangreiche Veränderungen durchführen und hat meist unrealistische zeitliche Vorstellungen. Auf Verzögerungen reagiert es mit Unverständnis und einer Erhöhung des Drucks, um den Prozess zu beschleunigen. Die Mitarbeiter dagegen sehen überhaupt keine Veranlassung, sich zu ändern oder gut funktionierende Abläufe umzustellen. Selbst wenn sie einen Grund erkennen können, sind sie in der Umsetzung langsamer als in der Planung vorgesehen und verzögern damit den Prozess. Vom mittleren Manager erwarten sie, dass er ihre aus der Praxis abgeleiteten Änderungsanliegen nach oben hin durchsetzt und für einen realistischen Zeitrahmen sorgt. Gibt das mittlere Management den Druck, der von oben kommt, an sie weiter, reagieren sie verärgert und bremsen den Prozess bis zum Stillstand hin aus. Der mittlere Manager muss nun zwischen oben und unten vermitteln und mit dem richtigen Timing den Prozess manchmal beschleunigen und dann wieder entschleunigen. Massiver Widerstand?Maßnahmen, die für die Mitarbeiter zum Teil nicht nachvollziehbar sind und daher als aufgezwungen erlebt werden, erzeugen Widerstand. Gefühle wie Angst, Zorn und Trauer sind aber nicht nur bei unangenehmen Wandelvorhaben verbreitet, sondern selbst bei Veränderungen mit positiven Auswirkungen für die Mitarbeiter. Sogar offensichtliche Gewinner von Wandelprojekten zeigen irrationalen Widerstand und blockieren die Umsetzung. Die Folge ist, dass trotz vieler Aktivitäten keine Ergebnisse erzielt werden. Viele Führungskräfte nehmen diesen Widerstand zwar wahr, können aber in der jeweiligen Situation die starken Emotionen der Mitarbeiter nicht verstehen und auch nicht damit umgehen. Sie glauben, dass Mitarbeiter sich zu Unrecht so verhalten, und nutzen ihre Machtposition, um sich durchzusetzen, weil sie selbst unter enormem Druck stehen. Damit erhöhen sie aber den Widerstand gegen das Vorhaben zusätzlich. Fehlende Kompetenz?Um schwierige Prozesse wie Restrukturierungen oder sogar Personalabbau zu ma­nagen, brauchen Führungskräfte Wissen darüber, wie Gruppen und Einzelpersonen in Wandelprozessen emotional reagieren und wie sie damit umgehen können. Wer einmal die 'Logik der Emotionen' kennengelernt hat, wird von den scheinbar irrationalen Reaktionen der Mitarbeiter weniger überrascht sein und sich souveräner verhalten können. Durch geeignete Maßnahmen und die richtige Kommunikation lassen sich Widerstände bereits im Vorfeld reduzieren. Dieses Wissen wird aber in der Regel weder an der Universität noch in Change-Management-Seminaren gelehrt. Führungskräfte, die dieses Wissen vorbildlich in der Praxis umsetzen und von denen man es lernen könnte, gibt es in der Wirtschaft leider noch zu wenige. Erschöpfung?Viele Führungskräfte fühlen sich durch zusätzliche Wandelprojekte stark überlastet. Die Entwicklungen der letzten zehn Jahre führten dazu, dass Manager heute auf derselben Position deutlich mehr leisten und mehr Verantwortung tragen müssen, als dies früher der Fall war. Der Zehn- bis Zwölf-Stunden-Tag ist mittlerweile bei den meisten Managern die Regel, nicht die Ausnahme. Viele arbeiten schon seit langem an ihrer eigenen und der familiären Belastungsgrenze. Schlaf, Bewegung und Entspannung sind seit Jahren auf ein Minimum reduziert. Durch den aktuellen Wandel wird der ohnehin schon sehr anspruchsvolle normale Arbeitsablauf massiv gestört. Gleichzeitig ergeben sich neue Aufgaben und viele unerwartete Probleme treten auf. Das bedeutet noch mehr Arbeitsstunden mit zusätzlichem Stress und eine Mehrbelastung für das Privatleben. Kommt dann eine Krise in der Beziehung, Probleme mit den Kindern, kranke Eltern oder ein Hausbau dazu, ist die Überforderung vorprogrammiert. Die Folge sind Erschöpfung, Gereiztheit, und psychosomatische Erkrankungen. Sie als Führungskraft müssen mit all diesen Problemen umgehen, obwohl Ihnen - wie den meisten Führungskräften - das detaillierte Know-how dazu fehlt. Dieses Buch unterstützt Sie dabei, sich anhand vieler praktischer Beispiele das Wissen anzueignen, das Sie für Ihre Wandelvorhaben benötigen. Es orientiert sich dabei konsequent an den Bedürfnissen und Problemen von Führungskräften. Aus meiner langjährigen Arbeit mit Führungskräften aller Ebenen in tiefgreifenden Wandelprozessen weiß ich, dass die meisten immer wieder dieselben Fragen haben. Jeder dieser zehn zentralen Fragen ist ein Buchkapitel gewidmet: 1. Wieso gibt es immer mehr Wandelprojekte in immer kürzerer Zeit? 2. Warum verhalten sich die Mitarbeiter in Veränderungen oft irrational? 3. Wie gehe ich mit meinen eigenen Emotionen und denen meiner Mitarbeiter um? 4. Wie schaffe ich es, dass die Mitarbeiter losmarschieren? 5. Wie reagiere ich richtig auf Widerstand? 6. Wie manage ich das Übergangschaos, wenn der alte Zustand nicht mehr und der neue noch nicht funktioniert? 7. Wie schaffe ich es, dass ein Wandel dauerhaft verankert wird und nicht alle wieder in das alte Verhalten zurückfallen? 8. Wie kommuniziere ich im Wandel? 9. Wie gehe ich mit den offensichtlichen Verlierern einer Veränderung um? 10. Wie mache ich meinen Bereich dauerhaft wandelfähig? Starten Sie am besten mit dem Kapitel, dessen Thema Sie gerade am meisten beschäftigt. Wenn Sie aktuell unter starkem Umsetzungsdruck stehen, lesen Sie zuerst die Kapitel 5, 6 und 8. Hier finden Sie schnell umsetzbare Tipps, wie Sie Ihre Situation sofort verbessern können. Die einzelnen Kapitel sind so angelegt, dass Sie diese unabhängig voneinander lesen können. Querverweise werden Ihnen das Verständnis erleichtern. Dieses Buch wird Ihnen mit komprimiertem Wissen und praxisnahen Beispielen helfen, Ihre Wandelvorhaben souverän in den Griff zu bekommen. Denn nur, wenn Sie als mittlerer Manager auch in unangenehmen Veränderungsprozessen aktiv die Führung übernehmen, werden Sie als ein gesuchter Change Leader langfristig erfolgreich sein und Karriere machen. 1. Die Flutwelle des Wandels So kommt es zu immer mehr Wandel in immer kürzeren Abständen Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann. Charles Darwin?(britischer Naturforscher) Als Führungskraft merken Sie es täglich: Der Wandel bestimmt Ihr Arbeitsleben immer häufiger. Während früher nach einer Neuorganisation für die Mitarbeiter eine mehrjährige Phase der Stabilität eintrat, steht heute sofort das nächste Projekt in der Warteschlange. Woran liegt es, dass Veränderungen in immer kürzeren Abständen umgesetzt werden müssen? Der technologische Fortschritt verläuft exponentiell Die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung erhöht sich seit Jahrhunderten kontinuierlich. Von der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern um 1450 bis zur Entwicklung der Dampfmaschine im aufkommenden Industriezeitalter vergingen circa 300 Jahre. Nach weiteren 150 Jahren waren viele Haushalte mit elektrischem Strom und Telefon versorgt. Nur 30 Jahre danach wurden bereits Automobile in Serie produziert, und nachdem die U-Bahn bereits seit einigen Jahrzehnten jährlich Millionen von Fahrgästen unter der Erde transportierte, bewegten sich die Menschen mit den ersten Passagierflugzeugen nun auch in der Luft. Verglichen mit der Geschwindigkeit, in der heute eine Erfindung die andere jagt, verlief die Abfolge technischer Erfindungen zunächst im Zeitlupentempo. Mittlerweile steigt unser Wissen exponentiell an. Folgende Aspekte spielen dabei eine maßgebliche Rolle: - Es gibt weltweit immer mehr Menschen mit einer wissenschaftlich-technischen Ausbildung. Während es um 1650 nur eine kleine Gruppe wissenschaftlich Gebildeter gab, stieg ihre Zahl von 1850 bis 1950 von einer auf zehn Millionen. Von 1950 bis 2000 wuchs ihre Zahl auf 100 Millionen. Und das Wachstum ist weiterhin sehr stark. In den vergangenen zehn Jahren hat allein China die Zahl seiner Absolventen verfünffacht und die Zahl der Hochschulen verdoppelt. - Die steigende Computerleistung ermöglicht immer genauere Kalkulationen und Simulationen. Ein Supercomputer schafft heute mehrere Billiarden (1 000 Billionen oder 10) Rechenoperationen in der Sekunde! - Neue Messwerkzeuge erschließen bisher unerreichbare Forschungsdimensionen. Mikroskope machen bereits Details mit einer Größe von 0,1 Nanometern sichtbar. Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter! - Die Weitergabe des Wissens in der weltweiten Forschergemeinschaft erfolgt heute zum Teil in Sekundenschnelle. Früher dauerte es Jahre, bis sich neue Forschungsergebnisse verbreiteten, heute passiert dies zum Teil in wenigen Stunden, und jeder kann die Informationen abrufen und damit weiterarbeiten. Das Tempo, mit dem das Wissen der Menschheit zunimmt, beschleunigt sich unglaublich, wenn immer mehr Wissenschaftler mit immer besserer Technik und höherer Rechenleistung forschen und sich dann noch gegenseitig über die Ergebnisse informieren. Wir Menschen passen uns dieser Entwicklung der Technik an, ohne uns aber der enormen Veränderungsgeschwindigkeit voll bewusst zu sein. Das liegt daran, dass wir nur einen Ausschnitt einer exponentiellen Kurve betrachten, sodass uns diese als eine Gerade erscheint. Der amerikanische Erfinder Raymond Kurzweil bezeichnet dieses Phänomen als den 'intuitive linear view'. Wir nehmen Wandel nur bedingt wahr, wenn wir ihm täglich ausgesetzt sind. Ähnlich geht es uns mit dem Wachstum von Kindern. Eltern nehmen dies kaum wahr. Ein Freund, der einmal im Jahr zu Besuch kommt, staunt dagegen, wie enorm die Kinder in dieser Zeit gewachsen sind. Wie schnell der technologische Wandel tatsächlich vonstatten geht, können Sie beispielsweise an den Dingen des täglichen Gebrauchs nachvollziehen. Vergleichen Sie doch einmal die Fähigkeiten des Handys, das Sie vor zehn Jahren (also fünf Modellgenerationen früher) hatten, mit Ihrem heutigen Smartphone. Die aktuellen Megatrends beeinflussen Ihr berufliches Umfeld Die Megatrends der nächsten Jahre bergen große Chancen für die Menschheit, werden uns aber auch vor erhebliche Herausforderungen stellen. Wichtige Stichworte sind: Digitalisierung, Gender Shift, Gesundheit, Globalisierung 2.0, Individualisierung, Klimawandel, Mobilität, Neo-Ökologie, New Work, Sicherheit, Silver Society, Urbanisierung. Wir können heute nur bedingt absehen, wie die Veränderungen aussehen werden. Stellt man aber Fragen, lassen sich zumindest Tendenzen erkennen. Megatrend Globalisierung? Was bedeutet es, wenn in China und Indien zusammen 2021 voraussichtlich mehr als 36 Prozent der Weltbevölkerung leben und beide Länder sich schnell entwickeln? Im Jahr 2020 werden vier von zehn Universitätsabgängern weltweit aus China oder Indien stammen. Ist Europa tatsächlich eher auf dem Weg, 'zu einer Art Erlebnispark für reiche Asiaten und Amerikaner' zu werden als 'zur wirtschaftlich dynamischsten Region der Welt', wie der renommierte Zukunftsforscher John Naisbitt prognostizierte? Megatrend Silver Society? Welche Konsequenzen hat es, wenn das Zahlenverhältnis der Menschen im Erwerbsalter zwischen 20 und 65 zu den über 65-Jährigen in Deutschland 1995 etwa 4 : 1 betrug, 2010 bei 3 : 1 lag und 2030 voraussichtlich bei 2 : 1 liegen wird? Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf Ihr Berufsleben oder das Ihrer Kinder? Die großen Trends haben einen Einfluss auf die Gesellschaft, die Unternehmen und Sie persönlich. Megatrends erfahren wir aber nicht unmittelbar, sondern zeitverzögert. Sehen wir uns zwei Megatrends an, deren Auswirkungen Sie bereits seit geraumer Zeit deutlich spüren: Megatrend 'Globalisierung 2.0'?Viele Unternehmen sind nicht mehr national oder transnational, sondern weltweit aufgestellt. Die Globalisierung 1.0 führte zu einem starken Wettbewerbsdruck. Konkurrierte man früher mit den europäischen Nachbarn, ist es heute die ganze Welt. Große Branchen, wie zum Beispiel die Textil-, die Spielzeug- und die Elektronikindustrie, haben ihre Produktion schon vor geraumer Zeit ins Ausland verlagert. Im Inland verbleibende Unternehmen müssen schlank, effizient und kostengünstig produzieren, um überleben zu können. In vielen Unternehmen waren und sind Restrukturierungen und Personalabbau die Folge. Ein Manager hat heute durch den Abbau ganzer Hierarchiestufen meist deutlich mehr Mitarbeiter zu führen und mehr Verantwortung zu tragen als die Kollegen noch vor zehn Jahren. Viele Führungskräfte halten wegen der Zeitverschiebung zu anderen Kontinenten Telefonkonferenzen auch am späten Abend oder in aller Frühe ab. Mit der Globalisierung 2.0 verschieben sich nun immer deutlicher die Machtzentren. Ehemalige Schwellenländer gewinnen deutlich an Einfluss, während die bisherigen westlichen Großmächte ihn verlieren. Megatrend 'Digitalisierung'?Schon früher führten Erfindungen wie zum Beispiel die Dampfmaschine oder das Fließband zu Umbrüchen, die ganze Wirtschaftszweige vernichteten und neue entstehen ließen. Die Anzahl der entfallenen Arbeitsplätze wurde aber durch die neu hinzugekommenen stets kompensiert. Das könnte dieses Mal anders sein. Die neuen multimilliardenschweren Unternehmen der Digitalbranche wie Apple, Google oder Facebook beschäftigten im Vergleich zu alten Industrien viel weniger, wenn auch meist hochbezahlte Mitarbeiter. Informations- und Kommunikationstechnik und Digitalisierung prägen die vierte industrielle Revolution und die Entstehung einer 'Industrie 4.0'. Durch die intelligente Vernetzung von Produktentwicklung, Produktion, Logistik und Kunden per Internet geben die Unternehmen einen Teil ihrer Steuerungskompetenz an Computernetzwerke und Kunden ab. Maschinen kommunizieren miteinander und werden immer mehr selbst entscheiden. Welche Auswirkungen diese Veränderung für die Unternehmen hat, ist heute schwer vorauszusagen. Sicher ist aber, dass die Digitalisierung zu gravierenden Veränderungen ganzer Branchen führt und führen wird. Hier ein paar Beispiele, die man sich vor nicht allzu langer Zeit kaum hätte vorstellen können: - Das weltweit größte Taxiunternehmen besitzt keine Taxis (Uber). - Die weltweit größten Telefongesellschaften besitzen keine Infrastruktur (Skype, WeChat). - Der weltweit größte Vermittler von Unterkünften besitzt keine Immobilien (Airbnb). - Die weltweit größten Softwareanbieter entwickeln keine Software bzw. Apps (Apple, Google). - Das weltgrößte Filmverleiher besitzt keine Kinos (Netflix). - Der weltweit größte Händler besitzt keine Geschäfte (Alibaba). - Der weltweit bekannteste Informationsanbieter erstellt selbst keinen Content (Facebook). Auch wenn uns das Tempo all dieser Entwicklungen nicht dauernd bewusst ist, merken wir doch, dass unser Arbeitsleben immer fordernder und anstrengender wird. Viele Manager klagen, dass der Tag nur noch gefühlte 21 Stunden hat. Wandel ist keine Störung des 'normalen' Ablaufs mehr, sondern er ist die Normalität. Auch in Zukunft werden die Veränderungen einen starken Einfluss auf Ihr Arbeitsleben haben, und Sie werden sich an diese Veränderungen immer schneller anpassen müssen. Sicher ist, dass der Wandel in Ihrem beruflichen Umfeld weiter zunehmen wird. Da Sie in den letzten zehn Jahren vermutlich Karriere gemacht und die Position öfter gewechselt haben, glauben Sie vielleicht, der mittlerweile höhere Druck sei auf diesen Aufstieg und die gestiegene Verantwortung zurückzuführen. Dies ist sicher richtig. Dennoch hat sich der Druck auf jeder einzelnen Ebene erhöht. Das spüren nicht nur Führungskräfte. Und aller Voraussicht nach wird dieser Trend sich fortsetzen. Change Leadership spielt in Zukunft eine Schlüsselrolle Im internationalen Wettbewerb werden vor allem die Unternehmen und Manager Vorteile haben, die sich dem Wandel nicht nur schneller als andere anpassen können, sondern ihn sogar initiieren. Im mittleren Management wird für Sie die Fähigkeit unabdingbar, Ihre Mitarbeiter durch Phasen der Veränderungen zu führen. Damit wird Change Leadership zu einem ausschlaggebenden, vielleicht sogar zu dem entscheidenden Thema für Ihre berufliche Karriere als Manager. Change Leadership spielt in Zukunft eine Schlüsselrolle. Was verbirgt sich hinter dem Begriff 'Change Leadership' im Sinne dieses Buches, und was unterscheidet ihn von 'Change Management'? Während der Begriff Change Management meist die Begleitung des Wandels auf der Unternehmensebene meint, bezeichnet Change Leadership die Fähigkeiten, mit denen Sie Ihre Mitarbeiter ganz konkret durch den Wandel führen. In Büchern über Change Management, die sich meist an Personaler und externe Berater richten, können Sie beispielsweise fast immer etwas über die Erstellung einer Vision und den Einsatz von Großgruppenveranstaltungen lesen. Sie als mittlerer Manager bekommen aber häufig die Vorgabe von oben, unangenehme Veränderungen wie zum Beispiel Kostenreduzierungen durchzuführen. Die Empfehlung, zu diesen Vorgaben eine Vision zu entwickeln, geht dann an Ihrer Realität im mittleren Management vorbei. Genauso wenig sinnvoll ist es für Sie, Großgruppenveranstaltungen durchzuführen. Für mittlere Manager sind andere Themen relevant, wie zum Beispiel der Umgang mit Emotionen und Widerstand oder die Kommunikation im Wandel. Diesen Fragen werden jedoch auch in umfangreichen Change-Büchern oft nur wenige Seiten gewidmet. Als Change Leader müssen Sie aber genau diese Themen beherrschen. Deshalb geht es in diesem Buch nicht um unternehmensweites Change Management, sondern um konkretes Change Leadership. Change Leadership hat hauptsächlich mit Emotionen zu tun, es umfasst sowohl die Fähigkeit, mit Gefühlen umzugehen, als auch die Fähigkeit, diese aktiv auszulösen. Inzwischen gilt das traditionell in der Betriebswirtschaft vertretene Bild vom Menschen als 'Homo oeconomicus', dessen Verhaltensweisen rational gesteuert und damit klar vorhersagbar sind, als widerlegt. Die Gehirnforschung hat gezeigt, dass wir über 90 Prozent unserer Entscheidungen emotional treffen, um sie dann erst im Nachhinein vor uns selbst und anderen rational zu rechtfertigen. Große organisatorische Change-Vorhaben werden meist vom oberen Management entschieden und entwickelt. Das am grünen Tisch ausgearbeitete Wandelprojekt wirkt auf dem Papier überschaubar und logisch strukturiert. Der Ablauf wird sorgfältig geplant, damit am Schluss ein präzise vorhersagbares Ergebnis entsteht. Die Schienen sind gelegt. Der Zug soll sich nun mit allen Beteiligten zum höher gelegenen Ziel in Fahrt setzen. Nun laufen Wandelvorhaben natürlich keineswegs vom Start bis zum Ziel auf einer geraden Schiene entlang. Vielmehr gestaltet sich der Prozess für die Beteiligten oft wie eine Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen und ist manchmal sogar begleitet von einer anhaltenden Grundübelkeit. In der Praxis ist zu beobachten, dass Mitarbeiter sehr unterschiedlich reagieren, sich mitunter irrational und nicht wie geplant verhalten. Wie unterschiedlich Mitarbeiter im Wandel agieren, mag eine Analogie zeigen: Vergleichen wir die Wahrnehmung eines Wandels aus Sicht der Manager und der Mitarbeiter einmal mit einem Fußballspiel. Wie nehmen Trainer (Vorgesetzter) und Spieler (Mitarbeiter) den Wandel in ihrer Mannschaft wahr? Es gibt beim Fußball klare Regeln für alle Mitspieler. Jeder kennt seine Position und die damit verbundenen Aufgaben. Alle verlassen sich auf die Mannschaftskameraden und die Anweisungen des Trainers. Der Trainer hat nach den Vorgaben des Vereinsvorstands eine neue Strategie entwickelt, wie sich die Spieleraufstellung und die Spielweise verändern sollen, um noch erfolgreicher zu werden. Diese neue Strategie glaubt er klar und unmissverständlich kommuniziert zu haben. Tatsächlich spielt bei der Umsetzung in die Praxis aber auf einmal nur noch ein Teil der Mannschaft nach vorn. Manche spielen weiterhin mit, bringen aber kaum noch Einsatz. Andere sind unkonzentriert und verlieren den Ball oder begehen sonstige nicht nachvollziehbare Fehler. Wieder andere stehen mit verschränkten Armen auf dem Spielfeld herum und bewegen sich nicht. Natürlich nutzt der Gegner die Chance und startet aggressive Attacken. Der Trainer und der Vereinsvorstand verstehen die Welt nicht mehr. Aus Sicht der Spieler stellte sich die Situation ganz anders dar. Während der laufenden Saison werden das gut funktionierende Team und eine erfolgreiche Spielstrategie unnötig verändert. Die neue Strategie und die Erwartungen an die Spieler werden nicht klar kommuniziert. Die ratlosen Spieler beobachten die Reaktionen des Trainers und des Vereinsvorstands genau und versuchen die neuen Vorgaben zu erahnen. Auf Fragen und Verzögerungen bei der Umsetzung reagiert der Trainer extrem genervt, weil er alles für geklärt hält. Einige der besten Spieler wechseln noch während der Saison zu einer anderen Mannschaft. Weitere Spieler beenden ihre Fußballkarriere, können aber nicht ersetzt werden, weil die Reservebank aus Kostengründen auf null reduziert wurde. Manchmal wird auch der Trainer mitten in der Saison abberufen, was die Orientierungslosigkeit noch verstärkt. Dafür erscheint ein neuer Trainer mit neuen Anweisungen, die größtenteils wieder nicht nachvollziehbar sind. Nichts läuft mehr normal in einem Wandel. Tatsächlich würden die Mannschaft und damit der Verein eher gewinnen, wenn die Spieler weiterhin geschlossen auftreten und nach vorn spielen würden. Dafür müsste der Trainer aber erst einmal verstehen, warum die Mannschaft auf dem Platz sich so - und nicht wie geplant - verhält. Aus der Sicht des Vorgesetzten reagieren Mitarbeiter bei starken Veränderungen oft sehr emotional und unvorhersehbar. Tatsächlich lassen sich aber Muster und auch eine gewisse 'Logik der Emotionen' in ihrem Verhalten finden. Bei Ihrer 'Mannschaft' im Unternehmen sollten Sie sich also zuerst einmal klarmachen, welche Emotionen bei Veränderungen, die als unangenehm empfunden werden, zu erwarten sind und wie Sie sich als Führungskraft sinnvoll verhalten können. Ohne dieses Wissen werden Sie von vielen Reaktionen schlichtweg überrascht sein, was Ihre Aussichten auf eine schnelle und erfolgreiche Umsetzung stark mindert. Im nächsten Kapitel erfahren Sie zunächst etwas über mögliche kollektive Emotionen Ihrer Mitarbeiter. Zusammenfassung 1. Der technologische Fortschritt verläuft exponentiell. 2. Die Megatrends beeinflussen Ihr berufliches Umfeld. 3. Change Leadership spielt in Zukunft eine Schlüsselrolle. 2. Die emotionale Achterbahn So verstehen Sie die Logik hinter scheinbar irrationalem Verhalten Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das, was wir dafür bekommen, sondern das, was wir dadurch werden. John Ruskin?(britischer Schriftsteller und Sozialreformer) Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie kommen abends nach Hause und sind geistig noch ganz beim Job. Als Sie die Eingangstür öffnen, finden Sie auf dem Boden einen Zettel, auf dem steht: 'Ich verlasse dich.' Wie würden Sie reagieren? Schockiert? Und was kommt nach dem Schock? Wie reagieren Menschen eigentlich auf unangenehme Neuigkeiten, die Veränderungen ankündigen? Mit dieser Frage werden wir uns in diesem Kapitel beschäftigen. Sie lernen die 'Logik der Emotionen' kennen, mit deren Hilfe Sie in Zukunft ein irrationales Verhalten Ihrer Mitarbeiter in vielen Veränderungsprozessen wesentlich besser verstehen und souveräner darauf reagieren können. Dieses Kapitel fällt ein wenig theoretischer aus als die restlichen Kapitel des Buches. Aber wie Kurt Lewin, einer der Pioniere der Psychologie, einmal gesagt hat: 'Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.' Das vorgestellte Modell ist die Grundlage für das Verständnis des emotionalen Verhaltens sowohl von Gruppen als auch von Individuen. Viele Führungskräfte bestätigen, dass es ihnen in der Praxis sehr geholfen hat, bessere Entscheidungen zu treffen. Um die 'Logik der Emotionen' zu verdeutlichen, habe ich das Modell der emotionalen Achterbahnfahrt entwickelt. Andere so genannte Change-Kurven-Modelle, die auf den ersten Blick ähnlich aussehen, konnten mich nicht überzeugen. Als Grundlage dienten mir die Einsichten von Elisabeth Kübler-Ross (1926-2004) über die Reaktionen von Menschen auf den extremsten aller Wandel, den bevorstehenden Tod. Der Begründerin der Sterbeforschung wurden für ihre Forschungsarbeit über 20 Ehrendoktortitel verliehen. Sie fand fünf Phasen mit typischen Verhaltensmustern, die Sterbende bei der Bewältigung dieses letzten Lebensabschnitts durchleben. Stellen Sie sich vor, der Arzt würde Ihnen überraschend mitteilen: 'Es tut mir sehr leid. Sie sind unheilbar krank und sterben mit großer Wahrscheinlichkeit in wenigen Wochen oder Monaten.' Wie würden Sie darauf reagieren? Kübler-Ross beschreibt diese Phasen: 1. Nicht-wahrhaben-Wollen (Denial) Der Patient glaubt, seine Krankenakte sei vertauscht worden oder der Arzt habe einfach eine falsche Diagnose gestellt. Er weigert sich, die Nachricht zu akzeptieren, und verspürt gleichzeitig starke Angst, sie könnte sich bestätigen. 2. Zorn (Anger) Die betroffene Person akzeptiert nach weiteren Bestätigungen den Befund. Sie verspürt Zorn auf Gott oder die Ungerechtigkeit des Lebens: 'Warum trifft es mich? Warum nicht meinen immer schlecht gelaunten Nachbarn?' Hinzu kommt oft der Zorn auf sich selbst, nicht intensiver gelebt und zu vieles verpasst oder auf später verschoben zu haben. 3. Verhandeln (Bargaining) Wenn der Weg aussichtslos erscheint, bietet der Sterbende dem lieben Gott einen stillschweigenden Handel an: 'Lass diesen Kelch an mir vorübergehen, dann werde ich nur noch Gutes tun.' 4. Depression (Depression) Wenn eine Person stirbt, die man sehr liebt, ist es für jeden Menschen schwer, dies zu verarbeiten und loszulassen. Der Sterbende muss sich aber nicht nur von einer Person trennen, sondern von allen Angehörigen und Freunden. Der Verlust so vieler geliebter Menschen und Orte gleichzeitig führt zu einer tiefen Trauer. 5. Akzeptanz (Acceptance) Der Sterbende nimmt sein Schicksal an, nachdem er die starken Emotionen der Angst, des Zorns und der Trauer durchlaufen hat. Er hat ein gewisses Maß von Frieden und Akzeptanz erreicht. Dieser Zustand ist fast frei von Gefühlen. Auch wenn Ihnen das Beispiel des Sterbens im Vergleich zu Veränderungen in Unternehmen oder im Privatleben etwas übertrieben erscheinen mag, bildet es doch genau dieselben Phasen ab, die in jedem Wandelprozess entstehen. Die meisten Veränderungsprozesse beinhalten ebenfalls einen kleinen 'Sterbeprozess', denn oft müssen sich Menschen von etwas Liebgewonnenem final und unwiederbringlich verabschieden. Dazu gehören zum Beispiel Gewohnheiten, Illusionen, Menschen, Umfelder, Orte oder Aufgaben. Die Phasen der Veränderung bleiben daher (bei unterschiedlich starken Emotionen in den einzelnen Abschnitten) dieselben. Die damit einhergehenden Gefühle von Angst, Zorn und Trauer finden Sie in jedem größeren Veränderungsprozess. Von den fünf Phasen habe ich daher vier übernommen - die Phase des 'Verhandelns' mit Gott entfällt bei weniger finalen Veränderungen. Dafür habe ich das Modell um eine vorangehende und eine nachfolgende Phase ergänzt, denn in Unternehmen kommt die 'schlechte Nachricht' meistens nicht völlig unerwartet, und nach der Akzeptanzphase geht das Leben noch weiter. Zu Verdeutlichung der 'Logik der Emotionen' habe ich mehrere Grafiken entwickelt und die Konsequenzen für Sie als Führungskraft abgeleitet. Das wegen der starken emotionalen Aufs und Abs 'emotionale Achterbahn' genannte Modell können Sie bei allen Wandelvorhaben in Unternehmen verwenden. Es ist dabei gleich, ob es sich um eine unternehmensweite Initiative oder einen individuellen Wandel am Arbeitsplatz handelt. Es gilt aber auch für das Privatleben. Der Verlauf der Achterbahn lässt sich an dem Beispiel vom Kapitelanfang verdeutlichen. Sie kommen nach Hause und finden einen Zettel mit einer Abschiedsbotschaft. Wie würden Sie reagieren? Teams und Einzelpersonen erleben in einem Wandel starke Gefühlsschwankungen 1. Sie durchlaufen zuerst einmal eine Phase der 'Verneinung'. Im ersten Moment, nachdem wir von einer erschütternden Neuigkeit erfahren haben, können wir sie kaum fassen. Wir sind schockiert und desorientiert. Wir suchen nach Gründen, warum das Angekündigte nicht eintreten oder uns nicht betreffen wird. Das vorherrschende Gefühl in der Phase der 'Verneinung' ist die Angst. 'O. k., ganz ruhig. Sie wird schon wieder zurückkommen. Das hatten wir ja schon. Bestimmt ist sie wieder bei ihrer Mutter. Wenn sie erst mal eine Nacht darüber geschlafen hat, sieht die Welt schon wieder anders aus. Morgen früh ist sie wieder da und dann reden wir. Überhaupt, sie muss erst mal etwas Besseres finden.' 2. Es folgt die Phase des 'Zorns', in der wir die Veränderung nicht mehr verneinen können. Wir sind zornig und suchen die Schuld in äußeren Umständen und bei anderen Personen. Aus Protest zeigen wir passiven und manchmal auch aktiven Widerstand. Das vorherrschende Gefühl ist Zorn. Meist wird einem mit ein wenig zeitlichem Abstand bewusst, dass man selbst auch etwas beigetragen hat und deshalb mischt sich oft Zorn auf sich selbst dazu. Auch am nächsten Tag kommt sie nicht zurück und meldet sich auch nicht. Gedanken kreisen im Kopf: 'Wieso tut sie mir das an? Was ist das denn für eine Art? So kann man mit mir nicht umgehen! Jetzt muss ich mir erst mal überlegen, ob ich die Beziehung noch will.' Dazu kommt langsam aber stetig auch Zorn auf sich selbst dazu: 'Naja, eigentlich hat sie in letzter Zeit oft gesagt, dass es so nicht weitergehen kann und sich etwas ändern muss. Ich hätte das ernster nehmen müssen.' 3. Nach einigen Tagen oder Wochen ist der Zorn verflogen. Die Phase der 'Depression' tritt ein, verbunden mit dem starken Gefühl der Trauer und der Niedergeschlagenheit.

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