Die Kunst der Kommunikation - Forschung – Theorie - Praxis

Die Kunst der Kommunikation - Forschung – Theorie - Praxis

von: Owen Hargie

Hogrefe AG, 2013

ISBN: 9783456952321

Sprache: Deutsch

692 Seiten, Download: 6620 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Kunst der Kommunikation - Forschung – Theorie - Praxis



Die Besonderheiten interpersonaler Kompetenzen

Was die Nomenklatur betrifft, so werden zur Beschreibung dieses Themas verschiedene Begriffe synonym gebraucht. Die Begriffe «soziale Fertigkeiten/Kompetenz», «interpersonale Fertigkeiten/ Kompetenz» und «kommunikative Fertigkeiten/ Kompetenz» werden häufig synonym verwendet. Der Begriff «Kommunikationsfertigkeiten» kann jedoch sowohl mündliche als auch schriftliche interpersonale Fertigkeiten umfassen, während der Begriff soziale Kompetenz eher im Zusammenhang mit entwicklungspsychologischen oder klinischen Anwendungen gebraucht wird. In diesem Buch werden alle drei Begriffe als austauschbar angesehen, wobei aber die Hauptbetonung auf dem Deskriptor «interpersonal» liegt. Interpersonale Fertigkeiten können damit in einem allgemeinen Sinne verstanden werden als die Fertigkeiten, die wir im Umgang mit anderen Menschen einsetzen. Allerdings ist diese Definition nicht sehr informativ, denn sie zeigt eher an, wofür die Fertigkeiten eingesetzt werden, als dass sie einen Hinweis darauf gibt, worum es sich dabei handelt. Das ist so, als würde man ein Flugzeug definieren als etwas, mit dem man von einem Land in ein anderes gelangen kann.

Versuche, den Begriff «interpersonale Fertigkeiten/Kompetenz» zu definieren, finden sich in der Literatur zuhauf. Um diesen Punkt zu verdeutlichen, bietet es sich an, sich einige der Definitionen anzusehen, die von verschiedenen Theoretikern vorgeschlagen wurden. In einer frühen Arbeit zum Thema kam Phillips (1978: 13) zu dem Schluss, dass eine Person in dem Maße als sozial kompetent angesehen werden kann, «in dem sie mit anderen auf eine Art und Weise kommunizieren kann, die ihre Rechte, Forderungen, Bedürfnisse oder Pflichten angemessen erfüllt, ohne die entsprechenden Rechte, Forderungen, Bedürfnisse oder Pflichten des Kommunikationspartners zu beschneiden, und diese Rechte etc. hoffnungsvoll in einem freien und offenen Austausch mit anderen teilen kann.»

Diese Definition betont die Makroelemente sozialer Begegnungen im Sinne von Wechselwirkungen zwischen den Teilnehmern. Dieses Motiv findet sich auch in der Definition von Schlundt und McFall (1985: 23), die soziale Fertigkeiten definieren als «die spezifischen Teilprozesse, die den Menschen befähigen, sich auf eine als ‹kompetent› beurteilte Art und Weise zu verhalten. Fertigkeiten sind die Fähigkeiten, die man braucht, um ein Verhalten zu zeigen, das zum Erreichen der Ziele einer Aufgabe führt.»

In diesen Definitionen wird Kompetenz als eine Fähigkeit betrachtet, die ein Mensch in mehr oder weniger großem Umfang besitzen kann. Einen etwas anderen Schwerpunkt setzen Theoretiker, die Kompetenz in Bezug auf das Verhalten eines Menschen definieren. So haben beispielsweise Robbins und Hunsaker (2009: 6) wiederholt geäußert, dass «Kompetenz ein System von Verhaltensweisen darstellt, das sich auf die verschiedensten Situationen anwenden lässt», während Cameron (2000: 86) die Meinung vertritt, dass «der Begriff Kompetenz so etwas wie praktische Expertise impliziert, d. h. die Fähigkeit, etwas zu tun». Proctor und Dutta (1995: 18) gehen bei der Betonung des Verhaltens noch einen Schritt weiter, um auch die Ziele des Einzelnen einzubeziehen: «Kompetenz ist zielgerichtetes, gut organisiertes Verhalten». Hingegen betont Kelly (1982: 3) die Dimension des Lernens, indem er Kompetenz definiert als «diejenigen identifizierbaren, erlernten Verhaltensweisen, die Menschen in interpersonalen Situationen anwenden, um von ihrer Umgebung Verstärkung zu bekommen bzw. sie aufrechtzuerhalten».

Diese Elemente wurden von Robbins und Hunsaker (2009: 6) zusammengefasst; ihrer Auffassung nach setzt das Erlangen von Kompetenz in einer Fertigkeit voraus, dass «man diese Fertigkeit sowohl gedanklich als auch verhaltensmäßig versteht, Gelegenheit hat, sie zu üben, Feedback dazu erhält, wie gut man diese Fertigkeit beherrscht, und sie oft genug anwenden kann, um sie in das eigene Verhaltensrepertoire aufzunehmen.»

In seiner Übersichtsarbeit über die verschiedenen Definitionen kompetenten Verhaltens definiert Hargie (2006a: 13) interpersonale Kompetenz als «einen Prozess, in dem das Individuum verschiedene zielgerichtete, aufeinander abgestimmte, situationsangemessene soziale Verhaltensweisen ausführt, die es erlernt und kontrolliert». Dieser Definition folgen wir auch in diesem Buch. In ihr werden sieben verschiedene Komponenten von Kompetenz hervorgehoben:

¦ Kompetentes Handeln ist Teil eines Transaktionsprozesses.
¦ Kompetentes Verhalten ist zielgerichtet.
¦ Kompetente Verhaltensweisen sind aufeinander abgestimmt.
¦ Kompetenzen sollten situationsangemessen sein. ¦ Kompetenzen sind in Bezug auf identifizierbare Verhaltenseinheiten definiert.
¦ Kompetentes Verhalten ist erlernt.
¦ Fertigkeiten (Kompetenzen) unterliegen der kognitiven Kontrolle des Individuums.

Kompetentes Handeln ist Teil eines Transaktionsprozesses

Stewart et al. (2005) behaupten, dass interpersonale Kommunikation durch einen fortwährend ablaufenden verbalen und nonverbalen Prozess gemeinsamer Bedeutungsbildung charakterisiert ist. In diesem Sinne erfordert Interaktion ein beträchtliches Maß an Koordination, da jede Person ihre Handlungen im Einklang mit denen anderer Menschen reguliert (Gonzales et al. 2010). Dazu gehört auch das, was Pickering (2006) den «Tanz des Dialogs» nennt, wobei Menschen ihr Gespräch aufeinander abstimmen und aus dem Gespräch eine gemeinsame Bedeutung konstruieren. Balachandra et al. (2005) haben bestimmte Formen der Interaktion wie das Verhandeln mit dem Prozess improvisierten Handelns verglichen (ähnlich der Improvisation im Jazz oder auf der Theaterbühne), bei dem die Beteiligten auf die Bewegungen der anderen achten und in ihren Reaktionen darauf flexibel sein müssen. Wie wir in Kapitel 2 noch genauer sehen werden, ist kompetentes Handeln tatsächlich ein Prozess, der aus folgenden Schritten besteht:

¦ Angemessene Ziele formulieren
¦ Dazu passende Aktionspläne entwerfen
¦ Diese Pläne umsetzen
¦ Die Auswirkungen des Verhaltens beobachten
¦ Die Reaktionen der anderen bewusst wahrnehmen und sie deuten
¦ Den Kontext berücksichtigen, in dem die Interaktion stattfindet ¦ Ziele und Reaktionen im Licht dieser Ergebnisse korrigieren, anpassen oder aufgeben

Kompetentes Verhalten ist zielgerichtet

Hierbei geht es um Verhaltensweisen, die der Einzelne einsetzt, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen; das Verhalten ist somit zweckorientiert und nicht zufällig oder ungewollt. Wie Carnevale und De Dreu (2006: 55) es formulieren, «ist der Mensch ein intentionales System», das darauf ausgelegt ist, Ziele zu verfolgen. In seinem Übersichtsartikel zu dieser Frage weist Wilson (2006: 100) nach, dass die meisten Wissenschaftler «Kommunikation als einen zielgesteuerten Prozess betrachten». Gleichermaßen weist auch Huang (2000: 111) darauf hin, dass, «die Beweggründe, aus denen Menschen kommunizieren, wesentliche Konsequenzen für die Kommunikationsprozesse haben». Der interpersonale Prozess wird von Zielen motiviert und gesteuert (Berger 2002; Oettingen et al. 2004). Wenn beispielsweise Person A Person B dazu bringen möchte, sich frei zu äußern, dann wird A B ansehen, mit dem Kopf nicken, wenn B spricht, B nicht unterbrechen und von Zeit zu Zeit «glucksende Laute» («Hmm, hmm», «Ah, aha» etc.) äußern. In diesem Fall sind all diese Verhaltensweisen auf das Ziel ausgerichtet, die Beteiligung am Gespräch zu fördern.

Die Ziele, die wir verfolgen, sind uns nicht immer bewusst, und tatsächlich gehört es zu den Merkmalen kompetenten Verhaltens, dass es häufig automatisch ausgeführt wird (Moors und De Houwer 2007). Wenn eine Reaktionsweise erst einmal gelernt ist, kommt es im Gehirn zur «festen Verdrahtung» oder Habitualisierung, sodass zielgerichtetes Verhalten dann unter, wie Dijksterhuis et al. (2007) es nennen, «unbewusster Kontrolle» steht. Auf diese Weise regulieren Menschen ihr Verhalten zur Erreichung ihrer Ziele automatisch und unbewusst (Chen et al. 2007). Wenn wir wissen, wie man ein Auto fährt, müssen wir nicht mehr darüber nachdenken, wie man den Motor anlässt, bremst, zurücksetzt usw. Doch wenn wir Autofahren lernen, beobachten wir diese Handlungen ganz bewusst. Beim erfolgreichen Lernen neuer Fertigkeiten durchlaufen wir die Stadien der unbewussten Inkompetenz (wir sind uns der Tatsache, dass wir uns inkompetent verhalten, überhaupt nicht bewusst), der bewussten Inkompetenz (wir wissen, was wir tun sollten und wir wissen, dass wir das nicht besonders gut machen), der bewussten Kompetenz (wir wissen, dass unsere Handlungsweise zufriedenstellend ist) und schließlich der unbewussten Kompetenz (wir tun etwas, ohne darüber nachzudenken, und sind dabei erfolgreich). Dies trifft auch auf die interpersonalen Fertigkeiten zu. Im Rahmen sozialer Begegnungen mit freiem Gesprächsfluss vergehen zwischen den Antworten bzw. Reaktionen der Sprecher üblicherweise weniger als 200 Millisekunden, und selten dauern Gesprächspausen länger als drei Sekunden. Folglich treten manche Elemente wie etwa genaue Wortwahl und Gestik fast immer ohne bewusste Reflexion auf (Wilson et al. 2000). Im Hinblick auf den Verhandlungskontext erklärt McRae (1998: 123): «Erfahrene Verhandler erreichen bei bestimmten Fertigkeiten ein solches Geschick beim Verhandeln, dass sie gar nicht mehr bewusst über ihren Einsatz nachdenken müssen. Es ist, als seien ihnen ihre Reaktionen zur zweiten Natur geworden.» Sich der relevanten Ziele bewusst zu sein, ist jedoch keine Erfolgsgarantie.

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