MiniMax für Lehrer - 16 Kommunikationsstrategien mit maximaler Wirkung

MiniMax für Lehrer - 16 Kommunikationsstrategien mit maximaler Wirkung

von: Manfred Prior, Heike Winkler

Beltz, 2015

ISBN: 9783407225665

Sprache: Deutsch

132 Seiten, Download: 8499 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

MiniMax für Lehrer - 16 Kommunikationsstrategien mit maximaler Wirkung



MiniMax Nr. 4

»Immer« stimmt in Verbindung mit einem Problem nie!


Bei der Schilderung ihrer Probleme benutzen die Menschen gerne das Wort »immer«. Sie sagen zum Beispiel:

»Ich habe immer so Kopfweh!«

»Ich mache immer so viele Flüchtigkeitsfehler!«

»Ich werde immer so ungerecht behandelt!«

»Ich werde immer ausgelacht!«

Solche Beschreibungen mithilfe des Wörtchens »immer« sind durchaus sinnvoll, wenn man einen Eindruck vermitteln oder einen ersten groben Überblick über das Problem geben will.

Sie haben allerdings den Nachteil, dass durch sie das Problem größer erscheint:

  • Kopfschmerzen, die man »immer« hat, erlebt man als gravierender und sie sind schwieriger zu reduzieren als Kopfschmerzen, die in Abständen von zwei oder vier Wochen bevorzugt an Wochenenden für ein oder zwei Tage auftreten.

  • »Immer so viele Flüchtigkeitsfehler zu machen« ist schlimmer, als in Englisch bei den drei letzten Klassenarbeiten durch Flüchtigkeitsfehler jeweils eine schlechtere Note bekommen zu haben.

  • Auch »immer ausgelacht zu werden« ist schrecklicher als in Französisch wegen der oberhessischen Aussprache der französischen Nasallaute in der Klasse Lachen zu ernten.

  • »Immer von einem Lehrer benachteiligt zu werden« ist schlimmer als einmal bei einem Notenstand von 2,5 wegen schlechter mündlicher Mitarbeit eine 3 im Zeugnis bekommen zu haben.

Das kleine Wörtchen »immer« macht das Problem also schlimmer, als es in Wirklichkeit ist, weil es verallgemeinernd behauptet, dass das Problem in der Vergangenheit »immer« aufgetreten sei, was aber bei genauer Betrachtung nicht stimmt. Darüber hinaus bedeutet, ein Problem »immer« zu haben, dass man es nicht nur in der Vergangenheit »immer« gehabt hat, sondern es auch gegenwärtig hat und in Zukunft »immer« haben wird. Vor allem wegen dieser Implikation, mit der durch das »immer« zukünftige Besserungen oder Lösungen ausgeschlossen werden, sollte der Lehrer achtsam sein. Seine Aufgabe ist es doch, einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich das Problem in Zukunft ändert.

Das Wort »immer« in Verbindung mit einem Problem, mit Fehlern, Schwächen oder Schwierigkeiten macht es also immer schlimmer. Das »immer« übertreibt die tatsächliche Größe des Problems, macht das Ausmaß der Fehler, Schwächen und Schwierigkeiten unnötig groß.

Da ein schlimmes und großes Problem schwieriger zu lösen ist als ein weniger schlimmes und kleines, ist dem Lehrer daran gelegen, alles zu tun, damit ein Problem als möglichst klein erlebt wird. Will er also ein Problem auf seine tatsächliche Größe reduzieren und die Türe für Lösungen in der Zukunft öffnen, so empfiehlt es sich, auf Problembeschreibungen, die das Wörtchen »immer« enthalten, mit Differenzierungen zu reagieren. Dies kann z. B. durch bedacht formuliertes Verständnis und durch Fragen gelingen, die das »immer« auf seine tatsächliche Größe zurückschrauben:

»In der Vergangenheit hast du oft Flüchtigkeitsfehler gemacht. In welchem Test war das denn so? Welche Fehler hast du gemacht? Und in welchen Tests hast du dich eher gut konzentrieren und gut aufpassen können?«

Das Wort »immer« wird also durch »in der Vergangenheit« (s. MiniMax Nr. 1: »In der Vergangenheit …«) und »oft« ersetzt und das Problem durch Fragen nach positiven Ausnahmen weiter eingegrenzt. Das macht Probleme kleiner und damit leichter lösbar. Natürlich ist es unabdingbar, dass der Lehrer das Leiden unter dem Problem versteht und dies dem Schüler auch vermittelt. Zusätzlich lohnt es sich, danach zu fragen, wann das Problem in der Vergangenheit (s. MiniMax Nr. 1: »In der Vergangenheit …«) aufgetreten ist, wann das Problem weniger oder gar nicht aufgetreten ist und was stattdessen (s. MiniMax Nr. 3: Positive Formulierungen oder »Sondern …?«) gemacht wurde:

Schüler: »Herr Müller, es ärgert mich, dass ich immer so viele Flüchtigkeitsfehler mache …«

Lehrer: »Ja, Julius, in diesem Diktat hast du tatsächlich oft zu wenig auf Groß- und Kleinschreibung geachtet und dadurch viele unnötige Fehler gemacht. Dabei kannst du das ja eigentlich. Im letzten Diktat ging das viel besser. Wie hast du das denn beim letzten Mal hingekriegt, dass du da so vergleichsweise gut auf die Groß- und Kleinschreibung geachtet hast?«

Manchmal allerdings beharrt ein Schüler darauf, dass er »immer« unter dem Problem leide und z. B. »immer« ungerecht behandelt oder »immer« von allen ausgelacht werde oder »immer« so viele Fehler mache. Dann lohnt es sich, zunächst zu fragen, ob der Schüler sich vom Gesprächspartner nicht ernst genug genommen fühlt und deswegen die Größe und Schwere seines Problems unterstreicht.

Wenn andere in Aussagen über Sie das Wort »immer« in Verbindung mit einer unerfreulichen Eigenschaft oder einem Problem benutzen (»Du bist immer so vorwurfsvoll!«) reagieren Sie zu Recht in der Regel empfindlich und verwahren sich gegen solche entwertenden Verallgemeinerungen. In der Vergangenheit (s. MiniMax Nr. 1: »In der Vergangenheit …«) waren Sie nicht so empfindlich, wenn jemand das Wörtchen »immer« in Verbindung mit Aussagen über seine eigenen Probleme, Fehler, Schwächen oder Schwierigkeiten verwendet hat. Künftig werden Sie eher wohlwollend misstrauisch, wenn jemand unter der Verwendung des Wörtchens »immer« verallgemeinernd schlecht von sich und seinen vermeintlich »immer« auftretenden Fehlern, Schwächen oder Schwierigkeiten redet.

Seien Sie also aufmerksam, wenn jemand in der Beschreibung seines Problems im Zusammenhang mit eigenen Fehlern, Schwächen oder Schwierigkeiten das Wort »immer« benutzt. Denn »immer« stimmt in Verbindung mit einem Problem nie! Verhindern Sie, dass das »immer« verschlimmert. Halten Sie die Tür für künftige Veränderungen offen. Unterscheiden Sie durch Ihre Fragen, wann das Problem, der Fehler, die Schwierigkeit etc. auftrat und wann nicht: »Wann ist das aufgetreten, was du mir eben genannt hast? Wann ist es mal nicht passiert? Und was hast du da anders gemacht?«

Auf diese Art und Weise eröffnen Sie Möglichkeiten für Fragen, die das Problem auf seine tatsächliche Größe reduzieren. Und fragen Sie danach, was Gutes gemacht wurde, als das Problem (der Fehler, die Schwäche, die Schwierigkeit) nicht auftrat, und was man vielleicht häufiger machen kann.

»Pythagoras, der hat schon immer … apropos imm…« »Herr Brumm!! So was aus Ihrem Mund!« »???« »Was hat Mathe denn mit seinem Po zu tun? War der etwa auch quadratisch?« »Herrjeh, was seid ihr kindisch! Oder dumm? Ich sagte, ›aprrropos‹! Mein ›apropos‹, das galt dem ›immer‹, und ›apropos‹ heißt ›übrigens‹!« »Ja? … und? … übrigens was?« »Mein Gott!« »›Mein Gott‹ heißt das?« »Genug jetzt! Lasst euch das in Deutsch erklären – oder Franz. So, und wenn ihr fertig seid mit Lachen, will ich noch ’ne Bemerkung machen: vorhin sagtet ihr, ich sei immer nur am kritteln. Also, das stimmt wirklich nicht!« »Das merken Sie schon gar nicht mehr!« »Natürlich kritisier’ ich euch mal ab und zu, aber nur wenn’s nötig ist; doch immer? Nein, immer nicht! Kritisier ich zum Beispiel jetzt? Na seht ihr! Und in dem ›immer‹ sieht auch Dr. Prior ein Problem, weil’s meist nicht stimmt. In diesem Sinne sollten wir’s aus unserem Wortschatz streichen. Klar? Ich hoff’ dass jeder sich dran hält … dahinten wird ja immer noch gelacht!« »Herr Brumm, Sie halten sich ja selbst nicht dran, was wir gerade ausgemacht!« »Ich? Ach so … in diesem Falle hat’s gepasst, und außerdem wie heißt es doch so schön: Quod licet Iovi non licet bovi!« »Was soll denn das nun wieder sein?« »Das? Das kriegt ihr nächstes Jahr, das ist Latein.« »’Ne Frage noch: Wenn man ›immer‹ nicht gebrauchen soll, warum gibt’s das Wort denn überhaupt?« »Weil … manchmal … also gut, verwendet’s meinetwegen dann und wann, doch nur nicht immer!«

...

Kategorien

Service

Info/Kontakt