Agiles Projektmanagement - Agilität und Scrum im klassischen Projektumfeld - Agilität und Scrum im klassischen Projektumfeld

Agiles Projektmanagement - Agilität und Scrum im klassischen Projektumfeld - Agilität und Scrum im klassischen Projektumfeld

von: Jörg Preußig

Haufe Verlag, 2018

ISBN: 9783648105900

Sprache: Deutsch

280 Seiten, Download: 15182 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Agiles Projektmanagement - Agilität und Scrum im klassischen Projektumfeld - Agilität und Scrum im klassischen Projektumfeld



1   Einführung


1.1   Agil - das neue Modewort


Der Begriff „agil“ hat in den letzten Jahren enorm an Beliebtheit gewonnen und ist quasi ein Modewort geworden. Auf der einen Seite ist es erfreulich, wenn sich damit die zugehörigen Ideen weiterverbreiten. Auf der anderen Seite ist es zu einer zunehmenden Unschärfe gekommen, was genau mit dem Begriff gemeint ist. Mitunter wird er nur genutzt, um ein gutes Label für das Marketing zu haben. Und ab und an werden Projekte als „agil“ bezeichnet, weil man nicht zugeben möchte, dass es sich eigentlich um Chaosprojekte handelt. Es ist also mittlerweile eine gewisse Vorsicht geboten. Nicht überall, wo agil draufsteht, muss es auch drin sein bzw. gelebt werden.

In diesem Buch wird der Begriff so verwendet, wie er sich aus der Softwareentwicklung und dem dort entstandenen Agilen Manifest ableitet, das Sie später noch genauer kennenlernen werden. Nur so viel vorab: Es geht dabei in erster Linie um eine agile, also schnelle Reaktion auf Veränderungen bei den Produktanforderungen. Aus dieser Herausforderung folgen agile Prinzipien und agile Techniken. Auf Basis dieser Prinzipien und Techniken ist der Begriff des „Agilen Projektmanagements“ entstanden. Dieses Buch beschränkt sich jedoch nicht nur auf Softwareprojekte. Es betrachtet auch Projekte außerhalb der Softwareentwicklung und ist an all diejenigen gerichtet, die in einem klassischen Projektumfeld von den Techniken des Agilen Projektmanagements profitieren wollen.

Dabei ist dieses Werk nicht etwa eine Werbebroschüre für das Agile Projektmanagement, die dazu anregt, klassische Projekte um jeden Preis in agile Projekte zu wandeln. Vielmehr möchte ich die Chancen und Risiken darstellen, die mit dem Einsatz agiler Techniken und Methoden in einem klassischen Projektumfeld einhergehen.

1.2   Projektmanagement versus Prozessmanagement


Der Begriff „Agiles Projektmanagement“ leitet etwas in die Irre. Denn das ursprüngliche Einsatzgebiet des Agilen in der Softwareentwicklung war nicht das Projektmanagement, sondern das Prozessmanagement. Der Prozess der Softwareentwicklung hatte sich lange Jahre am sog. Wasserfallmodell orientiert. Dabei wurde, vereinfacht gesagt, vorausgesetzt, dass sich die Anforderungen an das Softwareprodukt zu Beginn des Projektes vollständig beschreiben lassen. Diese Beschreibung war dann einer der ersten Prozessschritte zur Produktentwicklung. Weitere Prozessschritte, die sich daran anschlossen, waren beispielsweise: Analyse, Entwicklung und Test. Da diese Schritte ähnlich sequentiell durchlaufen wurden, wie Wasser von oben nach unten fällt, bekam die Beschreibung dieses Prozesses den Namen Wasserfallmodell.

Bei dem Einsatz des Wasserfallmodells kam es allerdings immer wieder zu einer Folge, die niemand wollte: zum Scheitern des Projektes. Die Annahme, man könne die Anforderungen an das Softwareprodukt zu Beginn des Projektes vollständig beschreiben, stellte sich meist als falsch heraus. Denn sehr häufig waren diese Anforderungen schlicht zu komplex und selbst den Auftraggebern des Projektes in der Startphase nicht klar genug.

Der Prozess des Wasserfalls wurde dann nach und nach von agilen Prozessmodellen abgelöst. Bei diesen Prozessen ist es möglich, auch mit unschärferen Anforderungen zu starten.

Der Ursprung des Agilen liegt also im Management von Prozessen und nicht im Management von Projekten. Und genau das sorgt in der Praxis immer wieder für große Verwirrung. Denn Projektmanagement ist natürlich eine eigene Disziplin, die zunächst einmal unabhängig von den Prozessen im Projekt ist. Genau genommen leitet der Begriff „Agiles Projektmanagement“ sogar etwas in die Irre. Denn die agilen Prinzipien und Techniken beziehen sich ja ausschließlich auf das Prozessmanagement. Wenn man „agile“ Projekte sauber managen möchte, benötigt man also mehr als diese agilen Prinzipien und Techniken. Viele Aufgaben, die beim Managen eines Projektes anfallen, werden nämlich von den agilen Prinzipien und Techniken nicht umfasst und adressiert, so beispielsweise der Bereich „Ressourcenplanung“ oder ein Kick-off-Meeting.

Sie werden sehen: Für ein zielführendes Agiles Projektmanagement benötigen Sie also sowohl ein solides Wissen über die gängigen Techniken des Projektmanagements als auch fundierte Kenntnisse der agilen Prinzipien und Techniken.

1.3   Klassisch versus agil


In der Softwareentwicklung stehen sich zwei Modellarten für den Entwicklungsprozess gegenüber: das Wasserfallmodell und die agilen Modelle.

Das Wasserfallmodell wird gemeinhin als „klassisch“ bezeichnet, womit es im Laufe der Zeit im Prozessmanagement zur Unterscheidung zwischen „klassisch“ und „agil“ kam. Es gibt zwischen diesen Polen zahlreiche Modellvarianten und Mischformen. Zur Vereinfachung des Spannungsfeldes zwischen „klassisch“ und „agil“ verzichte ich hier bewusst auf deren Darstellung und Systematisierung.

Die Begriffe „klassisch“ und „agil“ wurden auf das Projektmanagement übertragen:

  • Unter Agilem Projektmanagement ist danach ein Projektmanagement zu verstehen, das sich auf einen agilen Prozess stützt und dabei die agilen Prinzipien und Techniken nutzt.

  • Das klassische Projektmanagement dagegen ist ein Projektmanagement, das im weiteren Sinne auf einem Wasserfallmodell basiert und dazu passende Techniken des Projektmanagements einsetzt.

1.3.1   Steuerung versus Regelung


Lassen Sie uns einen Ausflug in die Regelungstechnik machen, um den Unterschied zwischen agilem und klassischem Projektmanagement noch deutlicher zu machen. Dort gibt es die Einteilung in die Kategorien „Steuerung“ und „Regelung“:

  • Wenn ich ausreichend Informationen über ein System habe, dann kann ich zukünftige Zustände gut vorausberechnen und dieses System durch Steuereingriffe so beeinflussen, dass es sich in eine gewünschte Richtung verändert. Ich kann es steuern. Bei einer Heizung entspräche das Steuern einem einfachen Verstellen der Heizung auf eine bestimmte Stufe.

  • Wenn ein System sehr komplex ist und man die zukünftigen Zustände nicht einfach vorausberechnen kann, so benötigt man eine Regelung. Bei einer Heizung könnte der Regler die aktuelle Raumtemperatur und die Außentemperatur mit einbeziehen, um immer wieder angepasst an diese Faktoren sinnvolle Einstellungen der Heizung vorzunehmen. Eine Regelung bezieht also die Dynamik des Systems ein, die sie beeinflussen soll.

Übertragen auf die Produktentwicklung entspricht ein reiner Wasserfallprozess der Steuerung und ein agiler Prozess der Regelung.

Die Grafik veranschaulicht dies. Bei den Anforderungen symbolisieren die roten Punkte eine sehr genaue, feingranulare Beschreibung der Kundenwünsche, also ein klassisches Anforderungsdokument. Die grünen Kreise hingegen stehen für eine ungenauere, grobgranulare Beschreibung der Anforderungen.

Nachjustieren im agilen Prozess

Während man beim klassischen Wasserfallmodell davon ausgeht, mithilfe einer genauen Beschreibung der Anforderungen und einer darauf basierenden Planung den Weg der Entwicklung vorab festlegen zu können, bezieht man im agilen Prozess die Veränderungen (also insbesondere ein präziseres oder neues Verständnis der Anforderungen) immer wieder ein und regelt die Richtung der Entwicklung nach (mehr zu den Details der Grafik im Kap. „Ein Beispiel aus der Praxis“).

  • Ein agiler Entwicklungsprozess erlaubt zwar Änderungen bei den Anforderungen. Er ist aber in Bezug auf die Entwicklungszeit außerordentlich streng. Reicht ein geplanter Entwicklungszeitraum nicht für die Umsetzung der eingeplanten Anforderungen aus, so wird der Umfang der Anforderungen reduziert.

  • In Projekten mit einem klassischen Wasserfallprozess wird stattdessen typischerweise der Zeitraum erweitert. Die folgende Grafik veranschaulicht diesen Zusammenhang anhand des sog. PM-Dreiecks. Im Kapitel „Timeboxing“ gehe ich noch genauer auf diesen Zusammenhang ein.

Stellschrauben im PM-Dreieck

1.3.2   Mischformen


In der Realität gibt es viele Formen des Projektmanagements, die weder auf einem agilen Prozess basieren, noch einen Bezug zum Wasserfallmodell haben. Es ist also per se falsch, alles, was nicht als „Agiles Projektmanagement“ zu charakterisieren ist, als „klassisches Projektmanagement“ zu bezeichnen. In der Praxis ist diese Schematisierung allerdings leider sehr verbreitet. Die Unterscheidung dient natürlich denen, die mit „Agilem Projektmanagement“ etwas völlig Neues zu verkaufen versuchen, verunsichert aber gleichzeitig diejenigen, die ein pragmatisches Projektmanagement betreiben, in dem auch Ideen aus dem Agilen Prozessmanagement enthalten sind.

Der aktuelle Trend ist „Hybrides Projektmanagement“. Hier wird eine Kombination von klassischem und Agilem Projektmanagement propagiert. Dieser neue Begriff macht die Verwirrung komplett. Denn eigentlich landet man mit dem Hybriden Projektmanagement durch die Integration der agilen Prinzipien und Techniken in den Werkzeugkoffer des Projektmanagements wieder genau dort, wo man schon immer war, nämlich beim althergebrachten Projektmanagement. Ohne dieses geht es auch bei der Anwendung von agilen...

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