Kitas leiten und entwickeln - Ein Lehrbuch zum Kita-Management

Kitas leiten und entwickeln - Ein Lehrbuch zum Kita-Management

von: Petra Strehmel, Daniela Ulber

Kohlhammer Verlag, 2017

ISBN: 9783170241091

Sprache: Deutsch

414 Seiten, Download: 4474 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Kitas leiten und entwickeln - Ein Lehrbuch zum Kita-Management



 

Kernaufgaben der Kita-Leitung im System der Kindertagesbetreuung


Petra Strehmel und Daniela Ulber


1          Kernaufgaben von Kindertageseinrichtungen: Bildung, Betreuung und Erziehung


Kindertageseinrichtungen stellen Angebote zur Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern im Alter von null bis ca. zwölf Jahren vor und außerhalb der Schule zur Verfügung. Einrichtungen der Frühen Bildung sollen Kinder in ihrer Entwicklung begleiten und fördern. Dabei werden Bildung, Erziehung und Betreuung als Einheit verstanden (BMFSFJ, 2003). Traditionell stand in »Kindergärten« als sozialpädagogischen Einrichtungen die Aufgabe der Erziehung im Vordergrund, verbunden mit der Sozialisationsfunktion: Kinder sollen in einem außerfamilialen Kontext mit sozialen Regeln des Zusammenlebens vertraut gemacht werden. Die Betreuungsfunktion von Kindertageseinrichtungen verweist auf die Aufgaben, die Kinder im Hinblick auf ihre körperlichen und psychosozialen Grundbedürfnisse zu versorgen und Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Die Aufgabe der Bildung setzt den Akzent auf die Aneignung von Kompetenzen und Fähigkeiten im Zuge der Auseinandersetzung mit anderen Menschen in einem sozialen Kontext und durch die Beschäftigung mit der materiellen Umwelt. Angestoßen durch die alarmierenden Ergebnisse aus Pisa, IGLU und verschiedene andere OECD-Studien sind in den letzten Jahren intensive Bemühungen in Gang gesetzt worden, Kindertageseinrichtungen zu Bildungsinstitutionen auszubauen und die Qualität der Förderung zu sichern und weiterzuentwickeln.

Kernaufgabe von Kindertageseinrichtungen ist es somit, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu fördern. Dazu werden ihnen Lerngelegenheiten zur Verfügung gestellt und sie durch Lernanlässe herausgefordert, sich aktiv mit ihrer sozialen und materiellen Umwelt auseinanderzusetzen und sich im Zuge dessen u. a. kognitive, soziale und motorische Fähigkeiten anzueignen bzw. diese weiterzuentwickeln. Die Lernprozesse in einem institutionellen Kontext sollen die Kinder auf ihrem Weg zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern (§1, SGBVIII). Kindertageseinrichtungen berücksichtigen in ihren Angeboten spezifische Bedürfnisse und Förderbedarfe der Kinder und Familien, zum Beispiel einen intensivierten Bedarf an Sprachförderung oder in der Beratung und Unterstützung der Eltern.

Im Zentrum der Arbeit von Kindertageseinrichtungen stehen pädagogische Interaktionen zwischen den Kindern und pädagogisch Tätigen ( Abb. 1; vgl. Siraj-Blatchford et al., 2002). Die pädagogischen Interaktionen bilden den Kern eines Arbeitssystems, welches Einflussfaktoren auf das pädagogische Handeln beschreibt. Die Interaktionen sollen sich an bestimmten fachlich beschriebenen Qualitätsstandards orientieren und in Einklang stehen mit den je individuellen Bedarfen und Bedürfnissen der Kinder, welche z. B. durch Beobachtung, Gespräche mit den Eltern und der Auseinandersetzung mit den pädagogischen Rahmenbedingungen ermittelt wurden. Die pädagogischen Interaktionen vollziehen sich darüber hinaus im Kontext von Planungsprozessen, Ressourcen, Räumen sowie konzeptionell verankerten Arbeitsweisen und Routinen des pädagogischen Personals und werden mitgeprägt durch Strukturen und Abläufe in der Einrichtung sowie Beziehungen zum Umfeld der Kindertageseinrichtung. Die Aktivitäten der Leitung beeinflussen die Personalentwicklung, die Beziehungen zu den Eltern und im Gemeinwesen sowie zu externen Professionellen und damit auch die Arbeitsprozesse um die pädagogischen Interaktionen zur Gewährleistung pädagogischer Qualität.

Abb. 1: Pädagogische Interventionen im Kontext des Arbeitssystems der Kindertagesbetreuung nach Siraj-Blatchford et al., 2002, S. 24 (Übersetzung Strehmel, vgl. Strehmel, 2016)

In allen Bundesländern sind in den letzten Jahren Bildungsempfehlungen oder Bildungsprogramme entstanden, an denen sich die Einrichtungen mehr oder weniger verbindlich orientieren sollen. Damit beabsichtigt die Politik unter anderem sicherzustellen, dass bestimmte Bildungsinhalte in den Angeboten der Kindertageseinrichtungen ihren Platz finden. Gleichzeitig regen sie damit einen Diskussionsprozess und Reflexion über die Arbeit vor Ort in den Einrichtungen an. Einzelne Länder überprüfen mittlerweile die Einhaltung der Bildungsprogramme durch externe Evaluation und motivieren damit die Einrichtungen, sich intensiver mit den Inhalten auseinanderzusetzen, bzw. die Arbeit in verschiedenen Bereichen ausreichend sichtbar zu machen.

Die Frühe Bildung ist in Deutschland nicht zentral gesteuert, vielmehr sind Kommunen und Länder dafür verantwortlich, dass ausreichend Kinderbetreuungsplätze bereitgestellt werden, denn seit 2013 besteht für die Eltern ein Rechtsanspruch auf Betreuung bereits, wenn ihr Kind ein Jahr alt ist. Nach dem Subsidiaritätsprinzip haben sich die Kommunen jedoch mit eigenen Angeboten zurückzuhalten, solange freie Träger die Angebote gestalten wollen. Entsprechend vielfältig sind die Organisationen, die Kindertagesbetreuung anbieten: Neben kleinen Elterninitiativen, die sich in eingetragenen Vereinen zusammengeschlossen haben finden sich mittelgroße Träger mit 15–30 Einrichtungen (z. B. Kita-Werke der Diakonie, Stiftungen, eingetragene Vereine oder gGmbHs) ebenso wie bundesweit agierende Anbieterketten (z. B. Fröbel-Gruppe) oder Großbetriebe mit mehreren tausend Beschäftigten (z. B. Elbkinder Hamburg, große kommunale Träger). Werte, Leitbilder, pädagogische Konzepte und Arbeitsweisen variieren je nach Weltanschauung und Hintergrund der jeweiligen Anbieter.

Die einzelnen Kindertageseinrichtungen sind kleine oder mittlere Betriebe mit drei oder vier bis mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zwischen ca. 20 und mehr als 200 Kinder betreuen. Die Einrichtungen arbeiten nach einem je spezifischen pädagogischen Konzept, das sich an den länderspezifischen Bildungsprogrammen sowie am Leitbild des Trägers orientiert und in der Regel vom pädagogischen Team und manchmal auch in Kooperation mit Träger und Eltern entwickelt wurde.

Die Kita-Leitungen organisieren und koordinieren die pädagogische Arbeit. Zu ihren Aufgaben gehört es Planungs- und Verständigungsprozesse über die Inhalte der pädagogischen Arbeit zu gewährleisten durch entsprechende Team- und Arbeitsstrukturen. Darüber hinaus leitet sie einen Betrieb mit zahlreichen Bezügen zu den Eltern, zum Sozialraum, zur politischen Administration und zur Fachöffentlichkeit. Sie ist dafür verantwortlich, dass die Arbeit sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen, der Nachfrage der Eltern und Regelungen der Länder und Kommunen orientiert. Intern hat sie die Aufgabe, den pädagogisch Tätigen die notwendigen Ressourcen für eine gehaltvolle pädagogische Arbeit zur Verfügung zu stellen.

Rodd (2013) grenzt Aufgaben der Kita-Leitung im Sinne von »Leadership« von Aufgaben des Managements im Sinne der Organisation und Betriebsführung ab. Auch Verwaltungsaufgaben gehören nicht immer zum Aufgabenprofil der Leitung, hier stellt sich die Frage der Arbeitsteilung mit dem Träger bzw. der Zusammenarbeit mit Verwaltungskräften.

2          Das System der Kindertagesbetreuung


Kindertageseinrichtungen bewegen sich nicht im »luftleeren Raum«, vielmehr sind sie Teil eines Systems der Kindertagesbetreuung, das durch einen gesellschaftlichen Auftrag begründet ist, sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert und in den meisten Bundesländern im System der Kinder- und Jugendhilfe rechtlich verankert und finanziert wird. Aus diesem System erhalten Kindertageseinrichtungen Impulse und Unterstützung in fachlicher Hinsicht und können selbst wiederum Einfluss nehmen auf gesellschaftliche und politische Prozesse.

Abbildung 1 zeigt das System der Kindertagesbetreuung im Überblick. Im Zentrum stehen die Kindertageseinrichtungen mit Träger, Leitung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Kinder und Familien gehören einerseits zur Einrichtung und partizipieren in Angeboten und Prozessen, andererseits verweisen sie als Klientinnen und Klienten bzw. Kundinnen und Kunden auf eigene Bedürfnisse und Bedarfe, die sich unter anderem aus ihren Lebenslagen und dem gesellschaftlichen Umfeld ergeben. Zum Unterstützungssystem der Kindertagesbetreuung gehören Institutionen, die zur Qualität der pädagogischen Arbeit in den Einrichtungen beitragen: Fachberatungen, Einrichtungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung, wissenschaftliche Einrichtungen (Forschungsinstitute und Hochschulen), Fachverbände und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und Schulen. Weitere...

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