Climate Action Guide - Klimaschutz für Unternehmen. Konkret. Nachhaltig. Wirksam.

Climate Action Guide - Klimaschutz für Unternehmen. Konkret. Nachhaltig. Wirksam.

von: Ferry Heilemann

Murmann Publishers, 2021

ISBN: 9783867746878

Sprache: Deutsch

200 Seiten, Download: 2705 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Climate Action Guide - Klimaschutz für Unternehmen. Konkret. Nachhaltig. Wirksam.



Es wäre ein Leichtes, mit dem Finger auf China zu zeigen. 11 535 Megatonnen Kohlendioxid hat das Land 2019 emittiert, fast fünfmal so viel wie 1990. Mehr als 30 Prozent beträgt der Anteil am weltweiten Ausstoß – damit nimmt China, weit vor den USA und Indien, den unrühmlichen Spitzenplatz ein.

Deutschland kommt in diesem internationalen Ranking der Europäischen Union 26 scheinbar gut weg. Nur 1,9 Prozent tragen wir aktuell zur CO2-Produktion bei, Tendenz in absoluten Zahlen: seit 30 Jahren sinkend.

Zahlen und Statistiken können täuschen – wie die zuletzt genannten auch. In einen größeren Kontext gebracht relativiert sich deren Aussage. Erstens: Deutschland zählt immer noch zu den zehn Ländern mit dem höchsten CO2-Ausstoß, und das trotz der zahlreichen Fertigungsstätten, die Unternehmen in der Vergangenheit nach Fernost verlegt haben (was bedeutet, dass ein nicht unerheblicher Teil der dortigen Emissionen eigentlich uns zugeschrieben werden müsste). Zweitens: Häufig wird ignoriert, dass auch der Auf- und Wiederaufbau Deutschlands nur mit der Verbrennung großer Mengen Stein- und Braunkohle gelang – deren Emissionen noch über Jahrhunderte in der Atmosphäre wirksam bleiben. Und drittens: Chinas Bevölkerung wächst weiter rasant, bis heute auf 1,4 Milliarden Menschen. Setzt man die CO2-Emissionen mit diesem Wert ins Verhältnis, sieht die Reihenfolge der CO2-Emittenten anders aus: Oben landen dann Nationen wie die Emirate Katar mit 39 Tonnen CO2 pro Einwohner und Jahr und Kuwait mit 23 Tonnen, es folgen Australien mit 17 und die USA mit 15,5 und Deutschland mit 8,5 Tonnen CO2 – erst dann kommt China mit acht Tonnen CO2.

Auch wir in Deutschland müssen also noch einiges tun. Wie viel, das ist durch das sogenannte Restbudget vorgegeben, wie im vorigen Kapitel erläutert, jene Menge an Kohlendioxid, die global noch ausgestoßen werden darf, wenn die Menschheit die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzen will. Deutschlands Beitrag zur Erreichung dieses Ziels ist das Versprechen, bis Mitte des Jahrhunderts »klimaneutral« zu sein. 2050 soll unterm Strich nur noch so viel CO2 ausgestoßen werden, wie die Natur oder Technologien speichern können. Der bisherige Kurs der Bundesregierung verfehlte dieses Ziel allerdings. Handelten alle Nationen wie wir, würde sich die Erde bis Mitte des Jahrhunderts um etwa 2,5 Grad Celsius erwärmen. Wissenschaftler und NGOs haben deshalb alternative Szenarien errechnet. Abhängig von ihren Prämissen – wie drastisch sind die Einschnitte, welcher Anteil des Restbudgets steht uns zu? 27 – kommen sie zu dem Schluss, dass Deutschland bereits zwischen 2030 und 2040 klimaneutral sein muss.28

Um zu messen, wie weit wir auf diesem Weg gekommen sind, dient Kohlendioxid (CO2) als Maßeinheit. Der Stoff macht den mit Abstand größten Teil aller emittierten Treibhausgase aus, in Deutschland zum Beispiel 88 Prozent. Schädlich sind aber auch andere Gase. Das Kyoto-Protokoll listete 1997 fünf weitere auf: Methan, Schwefelhexafluorid, Distickstoffoxid, halogenierte Fluorkohlenwasserstoffe und Fluorkohlenwasserstoffe, später wurde noch Stickstofftrifluorid ergänzt. Ihr Beitrag zum Treibhauseffekt ist zwar zum Teil gering – bei Schwefelhexafluorid etwa liegt er bei nur 0,76 Prozent. Das Problem aber ist, dass das bei Industrieprozessen entstehende Gas sich im Schnitt 3200 Jahre in der Atmosphäre hält und 23 900-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid ist.29 Deshalb entfalten schon sehr geringe Mengen dieser Gase eine verhältnismäßig hohe Klimawirkung.

Um diese unterschiedlichen Eigenschaften zu berücksichtigen und die Kommunikation trotzdem einfach zu halten, werden die Treibhausgase häufig in sogenannte CO2-Äquivalente (CO2e) umgerechnet. Legt man diese Einheit zugrunde, sieht man, dass in Deutschland im Jahr 2019 knapp 810 Millionen Tonnen CO2e ausgestoßen wurden.30 Die Energiewirtschaft als der größte Verursacher energiebedingter Emissionen produzierte 254 Millionen Tonnen CO2e, gefolgt von der Industrie mit 188, dem Verkehr mit 163, Gebäuden mit 122 und der Landwirtschaft und Abfallwirtschaft mit neun Millionen Tonnen.31

Quelle: Eigene Darstellung nach UBA, in Prozent

Zoomt man näher an die Quellen heran, ergaben sich für das Jahr 2017 folgende Anteile der Emissionen am Ausstoß in Deutschland: Die Kohlekraftwerke waren für 24 Prozent verantwortlich; die Hauswärme, die mit Gas und Öl erzeugt wird, für 13 Prozent. Beim Verkehr überwog der Straßenverkehr mit 18 Prozent den Flugverkehr mit drei Prozent deutlich. In der Industrie erzeugten Industriekraftwerke und -maschinen mit acht Prozent, die Stahl- und Metallherstellung mit sechs sowie die Verarbeitung von Zement und Mineralien mit vier Prozent die meisten Emissionen. Die Rinderhaltung trug drei Prozent bei, trockengelegte Moore vier Prozent.32

Carbon Accounting mit dem Greenhouse Gas Protocol

Dass die Wirtschaft begonnen hat, ihre Emissionen systematisch zu erfassen und darüber zu berichten, liegt rund 20 Jahre zurück. Ende der 1990er-Jahre schlossen sich die US-amerikanische NGO World Ressources Institute (WRI) und das World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), eine Koalition internationaler Unternehmen, zusammen, um eine Methode für eine wahrhafte sowie branchen- und sektorenübergreifend vergleichbare Messung zu entwickeln. Der »Greenhouse Gas Protocol Corporate Standard« wurde 2001 erstmals vorgestellt und wird seitdem weltweit angewendet. Laut Aussage der Initiatoren setzten ihn 2016 mehr als 90 Prozent der »Fortune 500«-Konzerne ein; auch die später folgende internationale Norm ISO 14064, nach der Unternehmen den Prozess verifizieren lassen können, baut auf ihm auf.

Wer seine Treibhausgase messen (lassen) möchte, muss zwei grundsätzliche Entscheidungen treffen: Weist man die Emissionen für einzelne Produkte oder fürs gesamte Unternehmen aus? Und welche sogenannten Scopes bezieht man in die Rechnung mit ein?

Der Produkt-Footprint beschreibt die Klimabelastung, die entlang des gesamten Herstellungsprozesses einer Ware entsteht – und eventuell darüber hinaus. Beim »Cradle to Gate«-Ansatz endet die Betrachtung am Werkstor, der ermittelte CO2-Wert bezieht sich nur auf den Bereich, den ein Produzent direkt beeinflussen kann. Der »Cradle to Grave«-Ansatz hingegen rechnet auch die Emissionen hinzu, die bei der Nutzung durch den Endverbraucher bis zum Lebensende des Produkts einschließlich der Entsorgung entstehen. In beiden Fällen muss man die produktbezogene Lieferkette und die Herkunft der Rohstoffe detailliert zurückverfolgen und die Stoffströme auch in Zulieferbetrieben protokollieren. Um zu transparenten, international anerkannten und vergleichbaren Ergebnissen zu kommen, haben sich drei Normen für die individuelle Produktanalyse etabliert: PAS 2050, ISO 14067 und der Greenhouse Gas Protocol Product Standard. Es ist möglich, dass die Rahmenwerke für ein Produkt unterschiedliche Ergebnisse liefern – auf Genauigkeit, Relevanz, Transparenz, Vollständigkeit und Konsistenz der Daten legen alle drei gleichermaßen Wert. Zu beachten ist, dass Produkt-Footprints aufwendig sein können und damit viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen. Laptops, Autos oder Textilien haben stark verzweigte Lieferketten, über die die Firmen der Marken, unter denen sie verkauft werden, bislang häufig nicht bis ins letzte Detail Bescheid wissen. Andererseits kann der Produkt-Footprint hilfreich für die Kommunikation mit privaten Endverbrauchern sein, die sich mehr Nachhaltigkeit in ihrem Konsumalltag wünschen.

Zu den gängigen Methoden beim Carbon Accounting zählt es auch, die Emissionsquellen von Organisationen in drei sogenannte »Scopes« zu unterteilen, um sie besser managen zu können. Zu Scope 1 gehören demnach alle direkten Emissionen eines Unternehmens, etwa aus den betriebseigenen Fahrzeugen, chemischen Prozessen oder Verbrennungsanlagen. Scope 2 erfasst alle indirekten Emissionen, die durch die Erzeugung von zugekauftem und im Unternehmen eingesetztem Strom und bezogener Wärme entstehen. Unter Scope 3 fallen alle übrigen Emissionen, die etwa bei Geschäftsreisen, in der Lieferkette durch Transporte oder bei den Kunden, wenn sie das Produkt eines Unternehmens – beispielsweise einen fossil angetriebenen Pkw – täglich nutzen, entstehen.

Quelle: myclimate, Sebastian Eppler

Wenn Unternehmen sich dazu entschließen, die Klimafolgen ihres wirtschaftlichen Handelns zu mindern, wählen sie meistens den Weg des geringeren Widerstands: Sie konzentrieren sich vor allem auf Scope 1 und Scope 2 und orientieren sich bei ihrer Zielsetzung an dem Engagement der Konkurrenz. Oder sie limitieren ihren Klimaschutz auf eine bestimmte finanzielle Summe, die sie, aus welchen Gründen auch immer, bereit sind auszugeben.

Weil die Praxis allerdings zeigt, dass halbherzige Pläne nur wenig bewirken, rücken jetzt immer häufiger die Scope-3-Emissionen in den Fokus. Diese sind weitaus schwerer zu erfassen – können aber, wenn sie vermieden werden, spürbare Effekte haben. »Die Emissionen aus diesem sogenannten Scope 3 sind um den Faktor 100 größer als die CO2-Emissionen unserer Standorte«, sagte beispielsweise Bosch-Chef Volkmar Denner dem...

Kategorien

Service

Info/Kontakt