Körpersprache & Kommunikation - Nonverbaler Ausdruck und soziale Interaktion

Körpersprache & Kommunikation - Nonverbaler Ausdruck und soziale Interaktion

von: Michael Argyle

Junfermann, 2013

ISBN: 9783873878747

Sprache: Deutsch

448 Seiten, Download: 3586 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Körpersprache & Kommunikation - Nonverbaler Ausdruck und soziale Interaktion



2. Experimentelle Verfahren zur Erforschung nonverbaler Kommunikation


Einige der frühen Studien auf dem Gebiet der NVK wurden sehr erfolgreich mithilfe relativ einfacher und unkomplizierter Methoden durchgeführt. So gab es zum Beispiel Experimente, bei denen man jeweils die räumliche Distanz, das Geschlecht der Probanden oder das Gesprächsthema variierte, während die Häufigkeit von Blickkontakten, Lächeln oder Versprechern gemessen wurde. Heute steht uns eine größere Vielfalt an Verfahren zur Verfügung, von denen einige ziemlich raffiniert sind. So ist es zum Beispiel mittlerweile möglich, bestimmte Merkmale von Stimme, Gestik und Mimik differenzierter zu erfassen als damals. Es stehen neue statistische Verfahren zur Verfügung: Neben Varianzanalysen werden regelmäßig auch Faktorenanalysen, Mehrfachregressionsanalysen und andere Verfahren eingesetzt. Doch die vielleicht wichtigste Entwicklung ist, dass eine weit größere Bandbreite experimenteller Manipulationen erdacht wurde. Und neben Experimenten kann auch eine Reihe von anderen Designs zum Einsatz kommen – so zum Beispiel, wenn Verhaltenssequenzen untersucht werden sollen.

Die Entwicklung der NVK-Forschung in der Zeit ab etwa 1960 fiel mit einem anderen Kapitel in der Geschichte der psychologischen Forschung zusammen: der „Krise“ der Sozialpsychologie. Sie hatte mehrere Komponenten, deren wichtigste die Sorge um die Validität von Laborexperimenten war. Wenn man zum Beispiel Versuchsteilnehmer bittet, eine Maske oder Augenkamera zu tragen (eye tracker, ein Gerät zur Aufzeichnung von Augenbewegungen, das aussieht wie ein Ding von einem anderen Stern), bestehen erhebliche Zweifel, ob das daraus resultierende Verhalten auch in anderen, normaleren Situationen auftreten würde. In Anbetracht solcher Einwände müssen einige der frühen NVK-Forschungsergebnisse kritisch betrachtet – und in bestimmten Fällen abgelehnt – werden.

Dennoch ist es nicht notwendig, Laborexperimente aufzugeben, da es möglich ist – wie wir in Verbindung mit Encodierungsstudien sehen werden –, echte Emotionen oder echte Gefühle der Zuneigung für eine andere Person im Labor zu erzeugen. Allerdings werden Studien mit gestellten Situationen oder Rollenspielen heute mit einem großen Fragezeichen versehen, und es ist eine zunehmende Präferenz für echtes oder spontanes Verhalten zu beobachten. Solche Probleme spielen bei Wahrnehmungs- und Decodierungsstudien keine so große Rolle, da die Probanden sich dabei ohnehin nicht in einer echten sozialen Situation befinden, sondern vielmehr gebeten werden, die dargebotenen NV-Signale zu interpretieren, so gut sie können.

Eine andere Reaktion auf die Krise der Sozialpsychologie war eine zunehmende Verlagerung von Forschungsaktivitäten auf Feldstudien. Manchmal beruhen solche Studien nicht auf Experimenten, sondern auf systematischer Beobachtung, aber in solchen Fällen kann es schwierig sein zu entscheiden, welche Variablen einerseits Ursachen bestimmter Verhaltensweisen sind und welche andererseits deren Auswirkungen. So sind zum Beispiel Feldstudien durchgeführt worden, bei denen etwa in verschiedenen Versuchsvarianten das Aussehen eines eingeweihten Assistenten des Versuchsleiters manipuliert wurde oder er den Probanden berührte oder nicht. Allerdings schränken solche Verfahren die Forschungsarbeit auf kurze Kontakte zwischen Fremden ein.

Es sind sehr vielfältige Versuchsmethoden eingesetzt worden, um Lösungsansätze für unterschiedliche Probleme oder verschiedene theoretische Perspektiven zu prüfen. Manche wollen Gefühle – oder andere Zustände – erzeugen, um dann zu untersuchen, wie sie in NV-Signale encodiert werden; bei anderen werden Probanden NV-Signale präsentiert, um zu sehen, wie sie interpretiert – oder decodiert – werden; und bei wieder anderen Verfahren wird der Verhaltensstrom analysiert, mit oder ohne experimentelle Manipulation, und Ähnliches mehr.

2.1 Encodierungsstudien


Mithilfe von Encodierungsstudien will man herausfinden, wie Emotionen, Einstellungen zu anderen oder andere innere Zustände zu nonverbalen Signalen encodiert werden. Bei der frühesten Methode forderte man einfach die Versuchsteilnehmer auf, den Gesichtsausdruck zu zeigen, den sie haben würden, wenn sie zum Beispiel froh oder traurig wären etc. Ekman (1982) verwendete dieses Verfahren bei seinen wichtigen Studien über den Gesichtsausdruck, ebenso Mehrabian (1972) bei seinen Experimenten zu einer großen Bandbreite von NV-Signalen. Der wichtigste Einwand gegen dieses Verfahren ist, dass ein gestellter Gesichtsausdruck nicht ganz das Gleiche ist wie ein spontaner – er ist ausgeprägter, weniger symmetrisch und hat andere Korrelate; so ist zum Beispiel die Überlegenheit von Frauen über Männer beim Decodieren stärker ausgeprägt, wenn die Signale gestellt sind. Allen und Atkinson (1981) machten Videoaufzeichnungen von gestellten und spontanen Äußerungen des Verstehens und Nichtverstehens von 10-jährigen Kindern. Ein Beobachter konnte leicht feststellen, um was es sich jeweils handelte, da die Kinder in der gestellten Variante dreißigmal so oft nickten. Es ist argumentiert worden, dass gestellte Äußerungen bei Tests der Decodierungsgenauigkeit nützlich sind und dass sie NV-Äußerungen ohne die hemmenden und verfälschenden Wirkungen von Darbietungsregeln zeigen.

Allerdings interessieren wir uns hauptsächlich für natürlich auftretendes und spontanes Verhalten – wie also lässt sich solches Verhalten für Forschungszwecke hervorrufen? Eine Verbesserung gegenüber gestelltem Verhalten ist das Rollenspiel – ein Verfahren, das auch der Autor hin und wieder eingesetzt hat. Dabei werden die Probanden aufgefordert, ein paar Minuten an ein bestimmtes Ereignis zu denken, um sich in die Stimmung zu versetzen, die dargestellt werden soll. Dann erzählen sie von diesem Ereignis und ihre NV-Äußerungen werden aufgezeichnet. Dieses Verfahren ist zwar eine Verbesserung gegenüber gestellten Posen, aber immer noch nicht die Realität – es liegt auf der Hand, dass die echte soziale Situation dabei fehlt.

Wie können echte Emotionen und Einstellungen erzeugt werden? Nun, das lässt sich durch verschiedene Methoden erreichen, die immer häufiger bei NVK-Studien zum Einsatz kommen:

  1. Den Probanden werden Filme gezeigt, die ausgewählt wurden, um Ekel, Traurigkeit, Begeisterung oder andere Emotionen zu erzeugen. Über jeden Film sprechen sie mit dem Versuchsleiter, und dabei wird ihre Mimik auf Videoband aufgezeichnet. Es werden sowohl physiologische Messungen als auch subjektive Berichte erfasst (Buck, 1984).
  2. Die Versuchsteilnehmer begegnen verschiedenen eingeweihten Assistenten, die sich entweder sehr nett oder ziemlich unfreundlich verhalten, was die Probanden dazu veranlasst, sie zu mögen oder nicht zu mögen. Dann wird ihr Verhalten gegenüber den Assistenten aufgezeichnet (siehe zum Beispiel Exline und Winters, 1966).
  3. Die Probanden bringen ihre Partner(innen) mit ins Labor, die sie lieben (oder auch nicht) oder mit denen sie glücklich verheiratet sind (oder auch nicht), und dann wird der Einfluss dieser Beziehungen auf die NVK untersucht (Noller, 1984).
  4. Die Versuchsteilnehmer werden im Feld beobachtet, wo sich bestimmte reale Ereignisse abspielen. So könnten sie zum Beispiel auf einer Kegelbahn gefilmt werden, nach einem guten oder schlechten Wurf, wenn sie sich vor dem Wurf konzentrieren oder sich danach zu ihren Freunden umdrehen (Krout und Johnston, 1979).

2.2 Decodierungsstudien


Bei Decodierungsstudien will man untersuchen, wie die Versuchsteilnehmer NV-Signale wahrnehmen, interpretieren oder auf sie reagieren. Die Signale können gestellt oder echt sein, das Experiment kann im Labor oder im Feld stattfinden und die Reaktionen der Teilnehmer können auf unterschiedliche Weise erfasst werden.

Auch hier können die dargebotenen Reize Gesichtsausdrücke sein, Stimmen und Ähnliches oder schematische Zeichnungen von Gesichtern oder Körperhaltungen. Die Auslösereize können im Rahmen eines Rollenspiels auftreten oder spontan sein. Ein Beispiel für einen spontanen Reiz ist Bucks Verfahren der Videoaufzeichnung von Probanden, die sich emotional anregende Dias oder Filme ansehen oder darüber sprechen; solche Videoaufnahmen werden dann wiederum als Reize verwendet, die Ausdrucksformen bekannter Emotionen darstellen sollen (Buck, 1984). Eine andere Reizquelle sind Nachrichtenfotos, die aufgrund der abgebildeten Situation eindeutig erkennen lassen, in welchem Zustand der Encodierer sich befindet. Auch Ausschnitte aus TV-Soaps sind verwendet worden, die allerdings vielleicht als „gestellt“ betrachtet werden sollten (Trimboli, 1984).

Bei Laborexperimenten ist es möglich, die Art des zu decodierenden Auslösereizes zu variieren. Gesichtsausdrücke, Körperbewegungen und lautliche Äußerungen können separat präsentiert werden. Es können widersprüchliche Signale gezeigt werden, zum Beispiel ein freundliches Gesicht in Verbindung mit einer unfreundlichen Stimme, freundliche verbale und unfreundliche nonverbale Äußerungen, oder die Situation, in der sich der Encodierer befindet, kann experimentell abgewandelt werden. Bei einer Studie wurden Nachrichtenfotos verwendet, um den situativen Kontext zu liefern, wobei die Fotos manipuliert wurden, sodass die Gesichtsausdrücke bestimmter Akteure variierten (Spignesi und Shor, 1981). Die Information, die Decodierern zur Verfügung steht, kann manipuliert werden, indem man zum Beispiel auf einem Bildschirm nur ein Gesicht oder einen Körper zeigt oder nur die Tonspur abspielt. Bull (1987) präsentierte seinen Probanden eine große Anzahl Zeichnungen von Körperhaltungen, bei denen jede...

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