Begegnung fördern - Mit Gewaltfreier Kommunikation vermitteln. Mediation in Theorie und Praxis

Begegnung fördern - Mit Gewaltfreier Kommunikation vermitteln. Mediation in Theorie und Praxis

von: Liv Larsson

Junfermann, 2012

ISBN: 9783873878501

Sprache: Deutsch

272 Seiten, Download: 3731 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Begegnung fördern - Mit Gewaltfreier Kommunikation vermitteln. Mediation in Theorie und Praxis



Kapitel 2: Der Traum von einer konfliktfreien Welt


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Konflikt – Krise oder Chance?


Konflikt: Schwere Meinungsverschiedenheit, die eine Lösung fordert, gewöhnlich durch eine Form von Kampf.
Bedeutungsnuancen: a) offener Kampf: politischer Konflikt; ~ auf dem Arbeitsmarkt; die angespannte Lage ging in einen offenen ~ über b) psych. unvereinbare Handlungsimpulse in einem Individuum: konfliktvoll; Rollenkonflikt; seelischer ~; mit sich selbst in ~ sein; ein innerer ~
Hist.: seit 1811; von lat. conflictus „Zusammenstoß“.
– Die schwedische Nationalenzyklopädie13

Man kann Konflikte auch so beschreiben:
Ein Konflikt ist eine Interaktion zwischen mindestens zwei Parteien, in der mindestens eine Partei:
1) Wünsche hat, die sich zu wichtig anfühlen, um sie aufzugeben,
2) die Wahrnehmung hat, dass die andere Partei die
Erfüllung dieser Wünsche verhindert.
– Thomas Jordan14

Wenn Sie dazu beitragen möchten, Konflikte zu lösen, gilt es auf einige Dinge zu achten, die Ihnen helfen werden, klarer zu sehen, wann und wie Sie unterstützend agieren können. Dazu gehört, Deutungen und Wertungen (wenn jemand also Geschehnisse interpretiert, beurteilt und analysiert ) klar von dem zu unterscheiden, was wirklich geschehen ist. Wenn jemand, der mit einem Konflikt zu tun hat, sich plötzlich damit beschäftigt, wer Recht und wer Unrecht hat, bedarf dies ebenfalls der Aufmerksamkeit. Das Risiko ist dann nämlich ziemlich groß, dass der Betreffende eine feste Position bezieht, was zu Stagnation führt und den Konflikt nur noch schwieriger handhabbar macht.

Sollten Sie bemerken, dass oben genannte Verhaltensweisen im Konflikt auftreten, können Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die hinter den Äußerungen verborgenen unerfüllten Bedürfnisse richten. Sich auf Bedürfnisse zu konzentrieren (sowohl auf die eigenen als auch auf die anderer) schafft meist mehr Kontakt zwischen Menschen als nach Sündenböcken zu suchen und sich darauf zu konzentrieren, wer etwas falsch gemacht hat und wer sich anders verhalten sollte. Wenn die an einem Konflikt Beteiligten wissen, was sie brauchen, wird es leichter, Strategien zu finden, die für alle Parteien befriedigend sind.

Unsere Haltung gegenüber Konflikten hat Einfluss darauf, wie wir mit ihnen umgehen. Für mich sind Konflikte wie leicht verderbliche Lebensmittel – schon nach kurzer Zeit fangen sie an zu stinken, und ihr Verwesungsgeruch breitet sich aus. Oft warten wir ab, bevor wir einen Konflikt angehen, in der Hoffnung, er würde abflauen oder von selbst verschwinden. Doch durch Abwarten allein lässt sich ein Konflikt leider nur selten lösen – es vergeht nur Zeit. So viele von uns haben gelernt, dass Konflikte ein Zeichen dafür seien, dass etwas nicht stimme. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass wir den Umgang mit Konflikten tunlichst meiden, wodurch sie nur noch mächtiger werden. Ich hoffe deshalb, dass Sie mithilfe dieses Buches anfangen werden zu handeln – und zwar frühzeitiger als bisher und auf eine Weise, die zu Kontakt und Zusammenarbeit führt.

Ich sehe Konflikte als wertvollen Bestandteil menschlicher Beziehungen. Sie helfen uns, als Individuen und als Gesellschaften zu wachsen. Wenn wir die Verantwortung für Konflikte der Gesellschaft oder dem Rechtssystem überlassen, könnte uns deren eigentlicher Kern entgehen. Fragen wir uns stattdessen, was wir mit einem Konflikt zu tun haben, wie er jeden Einzelnen von uns berührt, besteht eine Chance zur Veränderung, von der wir alle profitieren. Für mich heißt Mediation, Menschen auf eine friedliche Weise, aus der wir alle etwas lernen können, ihre Konflikte leben zu lassen.

Zusammenfassung, wie man konstruktiv mit Konflikten umgehen kann

  1. Sicherstellen, dass „alle Karten auf den Tisch“ kommen (Tatsachen und Beobachtungen herausarbeiten).
  2. Alle Beteiligten als Menschen sehen (Gefühle, Bedürfnisse und Träume verstehen).
  3. Klären, welche Handlungen die einzelnen Parteien ausgeführt sehen wollen (eindeutige, durchführbare Bitten).

Ich habe bereits in Hunderten von Konflikten vermittelt und bin deshalb sehr zuversichtlich, dass sich menschliche Beziehungen wiederherstellen lassen, auch wenn das manchmal eine große Herausforderung sein kann (und in manchen Fällen auch mehr Zeit und Energie kosten würde, als wir zu investieren bereit sind).

Übliche Sichtweise auf Konflikte in Dominanzstrukturen


  • Konflikte sind negativ und schlecht.
  • Wir müssen unser Äußerstes tun, um Konflikte zu vermeiden.
  • Konflikte sind ein Zeichen dafür, dass jemand etwas falsch gemacht hat.
  • Konflikte werden von schwierigen Menschen und Unruhestiftern in Gang gesetzt.
    Deshalb brauchen wir wirksame Mittel, um Menschen zu kontrollieren.
  • Kontrolle und Harmonie können erreicht werden, indem man seinen Gegner bezwingt. Manchmal muss das durch eine Form von Strafe oder mithilfe von Gewalt oder Zwang geschehen.

Folgen dieser Einstellung

Es besteht die Tendenz, Konflikte aus den oben genannten Überzeugungen zu meiden. Konflikte, die man nicht angeht, eskalieren jedoch meistens. Konfliktvermeidung trägt also dazu bei, dass die Kontroversen letztendlich noch schwerer zu handhaben sind. Und genau diese Erfahrung, dass Konflikte schwer zu lösen sind und Energie kosten, scheint wiederum zu beweisen, dass sie wirklich unnatürlich sind und man sie tunlichst vermeiden sollte. Wenn wir glauben, dass irgendein Unruhestifter einen Konflikt völlig unnötigerweise verursacht hat, nehmen wir vermutlich die Dinge nicht mehr wahr, die uns wirklich helfen könnten, mit dem Konflikt umzugehen.

Gemäß der Annahme, Menschen seien von Natur aus gewalttätig und selbstsüchtig und dass aufgrund dieser gewalttätigen und selbstsüchtigen Natur Konflikte entstünden, lassen sich Konflikte anscheinend nur vermeiden, indem wir Menschen kontrollieren. Vor diesen gewalttätigen Menschen werden wir uns schützen wollen und Obrigkeitsinstanzen installieren, deren Auftrag es ist, meistens unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Formen von Kontrolle, die Anzahl der Konflikte zu minimieren. Aussagen wie: „Zerstöre nicht die Stimmung!“ oder: „Ihr seid euch doch eigentlich einig, jetzt hört doch endlich auf zu streiten!“ können Ausdruck der eigenen Sorge sein, nicht mit Konflikten umgehen zu können. Wenn wir andere davor schützen wollen, zu Schaden zu kommen, ist nicht selten unser erster Impuls, den Konflikt zu beenden, anstatt den Parteien zu helfen, einander zu verstehen.

Wenn man versucht, Konflikte abzumildern oder zu beenden, riskiert man, dass sie stattdessen wachsen und immer größer werden, bis die Situation schließlich unhaltbar wird. Besteht ein Konflikt schon längere Zeit, kann es ziemlich schwierig und herausfordernd sein, wieder zu Vertrauen und Kooperation zurückzufinden. Menschen in Konflikten haben das Bedürfnis, gehört und verstanden zu werden; sie wollen nicht, dass man ihnen sagt, dass sie nicht länger streiten sollen. Werden sie nämlich nicht gehört, „schreien“ sie womöglich noch lauter, um so endlich Gehör zu finden.

Wenn es uns jedoch gelingt, menschliche Unzufriedenheit als einen Versuch anzusehen, sich Bedürfnisse zu erfüllen, eröffnen sich oft neue Möglichkeiten für Kontakt und Kooperation. Mit dem Wissen, wie wir weiterkommen können, wenn wir uns „festgefahren“ haben, können wir sowohl unsere eigenen Konflikte handhaben als auch anderen helfen, ihre zu lösen. Sobald wir sehen, dass Konflikte eine Bereicherung sein können, steigt auch unsere Motivation, uns ihnen zu widmen.

Übliche Sichtweise auf Konflikte in lebensbereichernden, partnerschaftlichen Strukturen


  • Konflikte sind natürlich und lassen sich lösen.
  • Wo es Leben und Träume gibt, gibt es auch Konflikte.
  • Konflikte können eine Bereicherung sein und dazu führen, dass wir in neuen kreativen Formen der Zusammenarbeit versuchen, die Bedürfnisse aller zu erfüllen.
  • Konflikte bringen den größten Nutzen, wenn man sie mit „Win-win“-Methoden angeht, die eine Lösung zum beiderseitigen Vorteil anstreben.

Folgen dieser Einstellung

Wenn man anerkennt, dass es Konflikte gibt, werden diese nicht so leicht tabuisiert. Vermutlich wird man dann entdecken, dass sie ganz natürlich sind und sogar bereichernd sein können. Wenn man Konflikte sichtbar macht und nicht etwa versucht, sie zu verheimlichen, können sie mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit zu Verbindung und Kooperation führen.

Werden Konflikte als etwas potenziell Beziehungen und Zusammenarbeit Bereicherndes angesehen, geht man sie früher an, wodurch sie sich auch leichter lösen lassen. Sie werden dann zu einem Zeitpunkt in Angriff genommen, zu dem die Beteiligten noch offen dafür sind, die verschiedenen Standpunkte voneinander zu hören und zu neuen kreativen Ideen beizutragen. Das Erleben dieser so entstehenden Kreativität trägt dazu bei, Konflikte eher als Bereicherung anzusehen.

Versucht man jedoch, Harmonie zu erreichen, indem man...

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